Betr.: „Putin kontra Lenin“ von Willi Gerns, UZ vom 29. Januar 2016

Putins Geschichtsklitterei

Von Jörg Högemann, München

Ganz überwiegend stimme ich dem Verfasser Willi Gerns zu. Nur einen mir wichtig scheinenden Akzent möchte ich anders setzen.

Putin kritisiert Lenin: „… den Gang der Geschichte lenken – das ist richtig. Wichtig ist allerdings, dass dieses Denken zum erforderlichen Resultat führt, aber nicht wie bei Wladimir Iljitsch. … Im Endergebnis führte dieses Denken zum Zerfall der Sowjetunion, genau daran lag es. … die legten eine Atombombe unter das Gebäude, das Russland heißt, und die zerriss es dann auch. Und die Weltrevolution brauchten wir nicht.“

Der letzte ist der Kernsatz in Putins Antikommunismus. Wenn wir die Weltrevolution nicht brauchten, dann auch nicht die russische. Sie war, so sieht es der Präsident, die Atombombe, die Russland zerriss. Vor Jahren schon warf Putin den Bolschewiki vor, 1917 hätten sie die russische Armee zerstört durch ihren revolutionären Aufruf an die Soldaten, das Gewehr umzudrehen.

Revolution ist von Übel, meint Putin, destruktiv war sie, unrussisch – diese Weisheit ist der Staatschef seinen Oligarchen schuldig, mit denen er politisch eins ist; ebenso wie der Kirche, die heute wieder über Russland ihre segnende Hand hält. Fluch der Revolution, die der Kirche den Reichtum raubte, ihre Priester mordete.

„Die Erklärung Putins zeugt nicht nur von seinem Verhältnis zu Lenin, sondern auch zu den historischen Ereignissen, in denen er sich, sagen wir es so, nicht zurechtfindet.“

So konstatiert „Sowjetskaja Rossija“ und hat recht. Ohne Fünfjahrpläne, ohne Agrar- und Kulturrevolution, ohne Verbundenheit mit den Friedens- und Fortschrittskräften in aller Welt hätte Russland nicht dem Hitler das Kreuz brechen und hätte niemals Weltmacht werden können.

Gerade wir Deutsche sind betroffen von Putins Geschichtsklitterei. Ohne nun aber den Feinden Russlands, die aufs Neue zum Krieg blasen, auf den Leim zu gehen.

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"Putins Geschichtsklitterei", UZ vom 5. Februar 2016



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