Schwarz-rote Steuerpläne plündern die Kassen der Kommunen

Raubzug gestartet

Schon nach wenigen Tagen im Amt zeigt der neue Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) das Potential, eine noch konzernfreundlichere Politik umzusetzen als sein gescheiterter Vorgänger Christian Lindner (FDP). Lindner war in den Jahren der Ampel-Koalition ein marktradikaler Phrasendrescher geblieben und hatte dabei den Zeitpunkt verpasst, an dem das Monopolkapital nicht mehr das Predigen der reinen neoliberalen Lehre, sondern den Aufbau der Kriegswirtschaft verlangte. Klingbeil will es besser machen und hat mit den unbegrenzten Kriegskrediten die dafür notwendigen Mittel in der Hinterhand.

Noch vor der Sommerpause will Klingbeil sein „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ in den Bundestag einbringen. Der Gesetzesentwurf, der am Wochenende mehreren Medien vorlag, soll milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen vorsehen. Geplant ist die schnelle Einführung von sogenannten Sonderabschreibungen auf bewegliche Güter wie Maschinen. Durch die schnelleren Abschreibungen sollen bis zu 30 Prozent der Investitionskosten pro Jahr abgeschrieben werden können – und damit in größeren Schritten von der Steuer abgesetzt werden. Ab dem Jahr 2028 soll dann die Körperschaftssteuer sinken, von 15 auf 10 Prozent. Durch steuerliche Anreize soll zudem die Anschaffung von Elektroautos und ihre Nutzung als Dienstwagen subventioniert werden.

Rund 46 Milliarden Euro kosten die Geschenke, von denen vor allem Großkonzerne profitieren werden, bis zum Jahr 2029. Geld, das an anderer Stelle eingespart werden muss. Vor allem die ohnehin schon unterfinanzierten Kommunen werden mit den neuen Belastungen zu kämpfen haben. Durch geringere Steuereinnahmen müssen sie insgesamt ein Viertel (rund 11,5 Milliarden Euro) der Kosten schultern. In den ersten drei Jahren bis 2027 brechen ihre Einnahmen sogar deutlich stärker weg als in den Kassen von Bund und Ländern.

Dabei befinden sich die Städte und Gemeinden ohnehin schon in einer finanziellen Lage, die mit „katastrophal“ noch wohlwollend umschrieben ist. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten die Kommunen ein Rekorddefizit von mehr als 24 Milliarden Euro. In zahlreichen Gemeinden regiert der Rotstift. „Freiwillige Aufgaben“, etwa für Sport, Kultur, Jugend und Soziales, werden zurückgefahren – die hochgelobte Selbstverwaltung auf ein reines Verwalten des eigenen Niedergangs reduziert.

Merz und Klingbeil setzen in der öffentlichen Kommunikation darauf, dass das Gesetz zu einem Wirtschaftswachstum führt und von den Milliardengewinnen der Konzerne etwas beim Staat hängen bleibt. Die gleiche Hoffnung hatte dereinst Klingbeils Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) verbreitet, als er die „Unternehmenssteuerreform“ 2008 vorstellte. Damals wurde die Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent abgesenkt und für eine faktische Einhegung der Gewerbesteuerhebesätze gesorgt. Das Ergebnis war nicht der erhoffte Aufschwung, sondern schlicht einbrechende Einnahmen – überlagert von den Folgen der schweren Wirtschaftskrise 2009.

Insofern tritt Klingbeil sein sozialdemokratisches Erbe an. Dass er dabei vorerst auf das bekannte „links blinken“ verzichtet, zeigt sich auch daran, dass er den Raubzug der Konzerne durch die Kassen der Kommunen nur zwei Monate nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst startet. Hatte der kommunale „Arbeitgeberverband“ damals noch über die angeblich „hohen Kosten“ geklagt und den ohnehin dürftigen Abschluss als Angriff auf die Daseinsvorsorge bedauert, herrscht nun Schweigen im Innenministerium. Wenn es darum geht, das Kapital zu bedienen, ist die „Schmerzgrenze“ plötzlich verschwunden. Nun dürfen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst für die Extra­gewinne der Konzerne zahlen – und wir alle mit ihnen.

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"Raubzug gestartet", UZ vom 6. Juni 2025



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