Ein Polizeiüberfall auf ein antifaschistisches Camp auf dem Peršmanhof im österreichischen Kärnten hat zu großen Protesten und internationalen Verwerfungen geführt. Etwa 30 Polizisten hatten das Camp am 27. Juli gestürmt. Einsatzkräfte der Landespolizeidirektion Kärnten rückten zusammen mit Vertretern der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sowie Beamten des Landesamts Staatsschutz und Extremismusbekämpfung und Beamten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl an, um die Identitäten der über 60 Teilnehmer festzustellen – mit sieben Fahrzeugen, einem Hubschrauber, Drohnen und einer Polizeihundestaffel. Auf welcher Rechtsgrundlage der Einsatz stattgefunden haben soll und weshalb er angeordnet wurde, behielten die Beamten für sich.
Etwa 600 Menschen haben am vergangenen Freitag in Klagenfurt vor dem Amt der Kärntner Landesregierung unter dem Motto „Wir sind alle Peršman“ gegen das Vorgehen der Polizei demonstriert. Die Teilnehmer forderten Aufklärung, disziplinarrechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen und eine Entschuldigung der Behörden. Tags zuvor hatten 500 Menschen vor dem Innenministerium in Wien ihren Unmut geäußert.
Das Camp fand vom 24. bis zum 27. Juli statt und widmete sich den Themen Erinnerungskultur, der aktuellen politischen Lage, dem Rechtsruck in Europa und der Frage, wie eine soziale und ökologische Zukunft aussehen kann. Mehr als 60 überwiegend junge Menschen nahmen daran teil. Das Camp fand zum zweiten Mal statt. Es wird vom Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju/Klub der slowenischen Studierenden in Wien (KSŠŠD) veranstaltet.
Der Peršmanhof ist ein ehemaliger Partisanenstützpunkt. Am 25. April 1945 hatten Angehörige einer SS-Division den Hof gestürmt und dort elf Mitglieder der zwei dort wohnenden Familien Sadovnik und Kogoj ermordet. Sieben der Opfer waren Kinder, das jüngste nur wenige Monate alt. Überlebende Mitglieder der Familie Sadovnik stellten den Hof später für historische Forschung und Aufarbeitung zur Verfügung. Seit 2012 ist der Peršmanhof ein Museum, das sich schwerpunktmäßig der Verfolgung und dem Widerstand der Kärntner Slowenen widmet. Das Museum Peršman unterstützt das Antifa-Camp.
Medienberichten zufolge ist unklar, welche staatliche Stelle den Angriff auf das Antifa-Camp befohlen hat. Der vom Camp hinzugezogene Rechtsanwalt Rudi Vouk berichtete, der Einsatzleiter Gerold Taschek vom Landesamt für „Staatsschutz“ und „Extremismusbekämpfung“ sei auf eine juristische Befragung vorbereitet gewesen. Taschek habe ausgedruckte Dokumente mitgeführt und eine Begründung für das Vorgehen der Polizei parat gehabt. Begründet wurde der brutale Angriff mit „mutmaßlichen Übertretungen in den Bereichen des Campinggesetzes und Naturschutzes“, sagte Vouk. Zudem sei „argumentiert“ worden, unter dem Namen „Antifa“ sei europaweit eine Organisation bekannt, zu der auch teilweise gewaltbereite extremistische Personen zählten. Taschek habe den Einsatz weiter damit gerechtfertigt, das antifaschistische Bildungscamp stelle einen „sittenwidrigen Umgang“ mit der Gedenkstätte dar.
„Meiner Meinung nach war das eine von langer Hand geplante Aktion mit dem Ziel, Jugendliche, die das antifaschistische Gedenken kultivieren, einzuschüchtern“, schätzt Anwalt Rudi Vouk ein. Wer verantwortlich dafür sei, müsse mittels einer parlamentarischen Anfrage an das österreichische Innenministerium ermittelt werden. Der Rechtsanwalt hält Strafanzeigen gegen die eingesetzten Polizeibeamten wegen Amtsmissbrauchs für angebracht. „Die Polizei darf vieles, aber sie darf nicht alles. Sie darf das antifaschistische Fundament unseres Landes nicht mit Füßen treten.“
Die Polizei behauptete in einer Pressemitteilung, sämtliche anwesenden Personen hätten ihre Verpflichtung verweigert, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken. Aussagen von Teilnehmern des Antifa-Camps legen nahe, dass die Polizei lügt. Die Beamten verhafteten drei der Teilnehmer. Ein Teil der Teilnehmer versteckte sich erschreckt im Museum Peršman. Ein Teilnehmer wurde verletzt, als Einsatzkräfte die Tür öffneten. Der Verletzte musste ambulant versorgt werden. Der Einsatz dauerte viereinhalb Stunden. Einen Durchsuchungsbefehl hatten die Beamten nicht.
Auch talabwärts in Leppen kontrollierten Polizisten Menschen, die aus Richtung des Peršmanhofs kamen. Einem Bericht des Online-Magazins „Novi Glas“ zufolge hielten sie dort Nikolaj Orasche auf, den Sekretär des Verbands der Kärntner Partisanen/Zveza koroških partizanov. Als Orasche auf einem zweisprachigen Vorgang beharrte – in der zweisprachigen Gemeinde steht ihm das Recht darauf zu –, sollen die Beamten behauptet haben, niemand von ihnen spreche Slowenisch. Orasche soll dann nach den Dienstnummern der Beamten gefragt haben. Als die sich rechtswidrigerweise weigerten, soll er weggefahren sein. Die Beamten sollen ihm gefolgt sein, ihn aufgehalten und aus seinem Auto gezerrt haben. Orasche soll dann festgenommen worden sein.
An dem Polizeiüberfall soll der Völkermarkter Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch beteiligt gewesen sein. Der Behördenleiter soll über Jahre hinweg regelmäßige Treffen von Ustascha-Faschisten in Bleiburg ermöglicht haben.
Bernard Sadovnik, Nachfahre der Familie Sadovnik, zeigte sich entsetzt über den Einsatz. „Als Nachfahre der Peršman-Familie und als Vertreter der slowenischen Volksgruppe bin ich zutiefst erschüttert darüber, was heute am Peršmanhof passiert ist. So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf. Ich bin ohne Worte und von den Gesprächen mit den jungen Menschen vor Ort zutiefst betroffen. Der Polizeieinsatz stand in keiner Relation mit den Vorwürfen. Ich fordere eine sofortige lückenlose politische Aufarbeitung dieses skandalösen Vorfalls und seiner Hintergründe.“
Die KPÖ Kärnten verurteilte das Vorgehen der Polizei scharf. Der polizeiliche Übergriff sei ein Racheakt der Hüter der erinnerungspolitischen Kärntner Nacht. Der KZ-Verband/VdA forderte „lückenlose Aufklärung und personelle Konsequenzen“. Der Einschüchterungsversuch sei ein „Angriff auf das antifaschistische Erbe unseres Landes“.
Sloweniens scheidender Botschafter in Wien, Aleksander Geržina, sagte, er könne immer noch nicht fassen, „dass so etwas in einer demokratischen Republik möglich ist. Hier wurde jedes Augenmaß verloren“. Er sehe nicht, dass Österreich am Überleben der Kärntner Slowenen gelegen sei. Geržina forderte das Innenministerium und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) auf, den Vorgang zügig aufzuklären. „Es kann ja nicht Wochen dauern, dass man herausfindet, wer was wem angeordnet hat.“
FIR-Generalsekretär Ulrich Schneider schrieb in einem Offenen Brief an Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker: „Wir erwarten eine öffentliche Entschuldigung für diesen Übergriff und zukünftig eine wertschätzende Förderung dieser Gedenk- und Erinnerungsarbeit.“ In einer Antwort des Bundeskanzleramts, die UZ vorliegt, heißt es, Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) habe „eine umfassende und multiprofessionelle Evaluierung des Ihrerseits geschilderten und mittlerweile breit diskutierten Polizeieinsatzes beauftragt“.
Was eine „multiprofessionelle Evaluierung“ sein soll, weiß auch die österreichische Presse nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass die Aufklärung auf die lange Bank geschoben werden soll – bis Gras darüber gewachsen ist.
Eine ältere Fassung dieses Beitrags erschien zuerst im UZ-Blog. Wir haben diesen Text für die UZ vom 8. August 2025 aktualisiert.