Über einen Medienpreis für Sophie von der Tann

Schlecht gemeingemacht

Seit mit dem Angriff palästinensischer Gruppen und dem folgenden Gaza-Krieg mit insgesamt über 70.000 Toten auch deutsche Medienanstalten in Nachrichten und vielen Sonderformaten über die Ereignisse berichteten, wurde die zu einer „Staatsräson“ verdichtete einseitige Parteinahme für jegliche Reaktion Israels noch einmal offenbarer. Eine der wenigen Ausnahmen ist die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann, die sich heute schon damit auszeichnen kann, was ganz simpel zum journalistischen Berufsbild gehört: Berichterstattung über Verlauf und Konsequenzen nicht nur des 7. Oktober 2023, sondern auch der achthundert Tage danach.

Dafür erhielt sie am 4. Dezember den „Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis“. Sie mache ihre Arbeit mit „Empathie und Distanz“, sagte sie in der Sondersendung von „tagesschau 24“. Aber allein solche Ausgewogenheit war der „Jüdischen Allgemeinen“, dem israelischen Botschafter in Berlin sowie einigen Demonstranten, die die ARD als „Pressestelle der Hamas“ sehen, zu viel. Sie breiteten genau den Hass gegen die Jury und eine Journalistin aus, dem sie sich oft selbst ausgesetzt sehen. Dabei ist es hier nicht Hass religiöser Extremisten aufeinander – es reicht eine äquidistante Berichterstattung. Sie haben dafür reichlich Gründe.

Der Namensgeber des Preises gab der Nachwelt bekanntlich mit, dass „ein guter Journalist sich nicht mit einer Sache gemein macht, auch nicht einer guten Sache“. Weil aber „gut“ vor allem ein Gemeinplatz ist, ist Raum für Interpretation. Also bot „tagesschau 24“ zur Unterstützung für Frau von der Tann ausgerechnet die proimperialistische Propagandakapelle „Reporter ohne Grenzen“ auf. Deren 2025er angebliche „Rangliste der Pressefreiheit“ kritisiert Israel wegen einer „schockierend hohen Zahl getöteter palästinensischer Medienschaffender“ und bezeichnet die Region deshalb als für Reporter gefährlichste der Welt – um Israel dann dennoch weit vor Palästina zu platzieren. Im Ausland Journalisten zu töten, bedroht eben nicht die eigene Pressefreiheit.

Und weil der dialektische Zwilling der Information die Desinformation ist, vergibt die gleiche Jury, die zu Recht Sophie von der Tann prämierte, den parallel ausgelobten „Hanns-Joachim-Friedrichs-Sonderpreis“ an „Reporter ohne Grenzen“. Sie möchte sich wenigstens mit einer schlechten Sache gemein machen dürfen.

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"Schlecht gemeingemacht", UZ vom 12. Dezember 2025



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