Kleiner Paukenschlag aus Bella Italia: Ein Berufungsgericht in Bologna hat am Montag die Auslieferung eines ukrainischen Verdächtigen im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Nord-Stream-Gaspipelines an Deutschland gestattet. Ob Serhij K. wirklich überstellt wird, steht jedoch in den Sternen. Der als Terrorkoordinator Beschuldigte will beim Kassationsgerichtshof in Rom, dem höchsten Gericht Italiens, abermals in Revision gehen. Der 49-Jährige war im August auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in der Nähe des italienischen Küstenortes Rimini festgenommen worden. Ursprünglich hatte das Gericht bereits im September grünes Licht für die Auslieferung gegeben. Der Anwalt des Ukrainers brachte den Fall jedoch vor Italiens oberstes Gericht, das die Auslieferung überraschend wegen Verfahrensmängeln ablehnte und den Fall zurück nach Bologna überwies. Von dort geht es jetzt wieder nach Rom.
In Polen wiederum hatte Mitte Oktober ein Gericht die Auslieferung eines weiteren ukrainischen Terrorverdächtigen an Deutschland abgelehnt und die sofortige Freilassung des Mannes angeordnet. Der 46 Jahre alte Wolodymyr S. ist ausgebildeter Taucher und soll seit 2022 in Polen leben.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wirft ihm, Serhij K. und vier weiteren Ukrainern gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Der größte Anschlag auf die europäische Energieinfrastruktur wird offiziell nicht als Terrorakt verfolgt. Die Rechtsbeistände der verdächtigten Ukrainer machen „Widerstandsrecht“ geltend. Die vorgeworfenen Handlungen stünden im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und seien als Befehlsausführung im Rahmen militärischer Operationen zu betrachten. Daher greife die sogenannte funktionelle Immunität, die laut Völkerrecht für Handlungen im Auftrag eines Staates gelte. Das Erstaunliche dabei ist, dass damit die politische und militärische Führung der Ukraine, die von der Bundesregierung politisch, finanziell und militärisch unterstützt wird, für den Terror verantwortlich gemacht wird.
Die Bundesregierung dürfte ganz froh sein, wenn es in Deutschland nicht zum Prozess kommt – und dabei entweder gerichtsfest eine Verwicklung der Regierung von Präsident Wladimir Selenski festgestellt oder deutlich würde, dass die Hintermänner und Täter nicht in Kiew sitzen, sondern in den USA, wie es Recherchen des US-amerikanischen Investigativjournalisten Seymour Hersh nahelegen. US-Energieunternehmen erzielen durch höhere Gaspreise und den Ausbau von LNG-Exporten nach Europa unmittelbare wirtschaftliche Vorteile und binden die EU-Länder eng an die Vereinigten Staaten. Norwegen, das laut Hersh in die Sabotage-Operation eingebunden war, wurde nach 2022 zum wichtigsten Gaslieferanten Europas.
Die Bundesregierung sitzt die ganze Sache aus. Kein Wort zur Ohrfeige Polens für die dem Justizministerium unterstehende Bundesanwaltschaft. Der polnische Regierungschef Donald Tusk erklärte, das Gericht habe die Auslieferung „zu Recht“ abgelehnt und nannte den Fall „abgeschlossen“. Es liege nicht im Interesse seines Landes, den Mann anzuklagen oder an einen anderen Staat auszuliefern.
Und während Polens Regierungschef laut tönt, nicht die Zerstörung von Nord Stream sei das Problem, sondern der Bau der Pipeline, fiebert sein Außenminister Radoslaw Sikorski bereits Anschlägen auf die Druschba-Pipeline entgegen, durch die die EU-Partner Ungarn und Slowakei mit russischem Öl versorgt werden. Am Tag nach den Sprengungen in der Ostsee hatte er den Tätern mit den knappen Worten „Thank you, USA!“ auf „Twitter“ Dank gezollt.
Der von der polnischen Führung quasi als Widerstandsheld gefeierte Wolodymyr S. weist derweil sämtliche Sabotagevorwürfe zurück. Dem polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TVP sagte er: „Ich habe in Deutschland kein Verbrechen begangen und ich habe Nord Stream nicht gesprengt.“ Das mag eine Schutzbehauptung sein, muss es aber nicht, wenn die in die Ukraine führende Spur von interessierten Kreisen gezielt gelegt wurde.
Auf Anfragen der parlamentarischen Opposition im Bundestag – nein, nicht der „Linken“, sondern der AfD – über Erkenntnisse der Bundesregierung, ob und in welchem Umfang ukrainische Behörden oder staatliche Stellen gegebenenfalls in die Vorbereitung und Durchführung des Anschlags auf die Nord-Stream-Pipelines involviert waren, reagiert die Gefragte mit Geheimhaltungshinweis: „Die Frage kann nicht – auch nicht in eingestufter Form – beantwortet werden. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages und einzelner Abgeordneter zu erfüllen, tritt hier nach sorgfältiger Abwägung der betroffenen Belange im Einzelfall das Informationsinteresse des Parlaments hinter dem ebenso berechtigten Geheimhaltungsinteresse zum Schutz der laufenden Ermittlungen zurück.“
Und so drückt sich die Bundesregierung auch vor einer Antwort auf die Frage, ob deutsche Behörden an den Grenzübergängen nach Deutschland Auffälligkeiten registriert haben, als die mutmaßlichen Täter einreisten. Auch zu Erkenntnissen über die Herkunft der echten ukrainischen Pässe mit falschen Namen oder dazu, dass ein Mitglied der Gruppe im Sommer 2023 in einem Fahrzeug des ukrainischen Militärattachés von Polen in die Ukraine verbracht worden sein soll, wird geschwiegen. Antworten auf Fragen zu möglichen Unterstützerstrukturen oder Netzwerken in Deutschland, die die Sabotagegruppe vor oder nach dem Anschlag logistisch oder operativ unterstützt haben, bleibt die Bundesregierung ebenfalls schuldig.
Lieber wird der AfD wegen ihrer Anfragen zur Infrastruktur in Deutschland mögliche Spionage für Russland unterstellt und von „Vaterlandsverrat“ gesprochen. Dabei träfe das doch auf diejenigen zu, die mit ihrer falschen Politik für dauerhaft hohe Energiepreise sorgen, in deren Folge die Bevölkerung verarmt und das Land deindustrialisiert wird.



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