… aber die Welt feiert die Befreiung in Moskau

Trump führt „Tag des Sieges“ ein …

Kolumne

Am 1. Mai klagte Trump auf „Truth Social“: „Viele Verbündete und Freunde feiern den 8. Mai als Tag des Sieges, obwohl die USA bei weitem mehr als jedes andere Land zum Sieg im Zweiten Weltkrieg beigetragen haben.“ Einmal dabei, erklärte er die USA auch zum Sieger im Ersten Weltkrieg und kündigte an, künftig den 8. Mai und den 11. November als „Tage des Sieges“ zu feiern. Den Unabhängigkeitstag, den 4. Juli als Nationalfeiertag der USA, erwähnte Trump nicht. MAGA pflegt die Nostalgie der Großmacht USA, nicht den Stolz auf den antikolonialen Ursprung. Die Geschichtsklitterung, die USA und nicht die UdSSR hätten Europa vom Hitlerfaschismus befreit, ist auch Teil der Neocon-Ideologie. Mit der NATO- und EU-Ostexpansion etablierte sie sich als offizielles Geschichtsnarrativ des EU-Establishments. 2025 drohte Brüssel Politikern, die zur Feier nach Moskau fahren wollten, „Konsequenzen“ an.

Trumps Botschaft kurz vor der Siegesfeier in Moskau verrät Neid. Die absteigende Großmacht USA schmückt sich inzwischen mit fremden Federn, um positive Anerkennung in der Welt zu erheischen. Dagegen reisen am 9. Mai Repräsentanten aller Kontinente nach Moskau, um den Beitrag der UdSSR zur Niederschlagung des Hitlerfaschismus zu würdigen. Der Sieg über den deutschen und japanischen Faschismus war 1945 der Auftakt zu tiefgreifenden Umwälzungen: Sozialismusversuche, Erfolge der kolonialen Befreiung, und schließlich, mit dem Sieg in Vietnam und in den ehemals portugiesischen Kolonien, der Zusammenbruch des Kolonialsystems. Das sind progressive Traditionslinien, die bis zum heutigen Tag wirken.

Gelegenheiten, Achtung durch eigene Taten zu erwerben, kann oder will Trump nicht nutzen. Er müsste Netanjahus Morden, Bomben und die Hungerblockade gegen die Menschen in Gaza stoppen. Er könnte es. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte sein Sonderbeauftragter Steve Witkoff eine kurze Waffenruhe ausgehandelt. Trump bombardiert stattdessen den Jemen, will Käufer iranischen Öls sanktionieren, gefährdet das Atom-Abkommen mit dem Iran. Trumps „Friedensinitiative“ für die Ukraine scheitert. Er bezeichnet den Ukrainekrieg zwar als „Bidens Krieg“, will ihn aber nicht verlieren. 1956 stoppten USA und UdSSR gemeinsam den Krieg Britanniens, Frankreichs und Israels gegen die Verstaatlichung des Suezkanals durch Gamal Abdel Nasser. Heute fördern die USA in Gestalt des AFRICOM-Commanders Michael Langley die Regime-Change-Versuche der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gegen Ibrahim Traoré, der die Goldminen von Burkina Faso verstaatlicht hat.

Trump hatte 2024 deutlich mehr Unterstützer aus der US-Plutokratie als 2016. Milliardäre diverser Branchen finanzierten seinen Wahlkampf. Unter den US-Milliardären gibt es traditionell viele Zionisten; sie haben beide Kongressparteien fest im Griff, was die US-amerikanische Israel-Politik prägt. Im Verhältnis zu Russland gehört Trump zu den „Realisten“, die heute durch „Umkehrung“ der Nixon/Kissinger-Politik der 1970er Jahre Russland von China lösen wollen, um sich auf China als Hauptgegner zu konzentrieren. Der „Realismus“ dieses Teils der US-Oligarchie reicht, um einzugestehen, dass die Welt heute multipolar ist. Er geht aber nicht so weit, sich damit abzufinden und sich dauerhaft auf friedliche Koexistenz einzulassen. Auch die im Staatsapparat und im Militär starken Neocons drängen auf Aggressivität.

Doch es gibt keinen Weg zurück zur unipolaren Hegemonie der USA. Bevormundung, Gewalt und Erpressung beschleunigen nur den Autoritätsverfall. So nimmt Trumps Zollkrieg gegen die Volksrepublik China, die harten Widerstand zeigt, mehr und mehr die Züge von Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen an. Xi Jinping wird am 9. Mai für China in Moskau auf der Tribüne stehen, so wie Luiz Inácio Lula da Silva für Brasilien, Miguel Díaz-Canel Bermúdez für Kuba, Tô Lâm für Vietnam, Robert Fico für die Slowakei, Ibrahim Traoré für Burkina Faso und viele weitere Staatsoberhäupter.

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"Trump führt „Tag des Sieges“ ein …", UZ vom 9. Mai 2025



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