Außenminister Johann Wadephul (CDU) wirkte ein wenig unglücklich bei seinem Treffen mit Syriens Präsident Ahmed al-Sharaa Ende Oktober in Damaskus. Für Kristalina Georgieva, die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds, dagegen war es ein „Privileg“, in Washington mit al-Sharaa die zukünftige Zusammenarbeit beim Wiederaufbau Syriens zu besprechen. Und der US-Präsident?
„Ein harter Hund…”, so charakterisierte Donald Trump seinen syrischen Kollegen al-Sharaa nahezu bewundernd nach dem Treffen im Weißen Haus. Gerade noch rechtzeitig vor dem Treffen hatten die USA ihre Einstufung von al-Sharaa als „Globaler Terrorist“ zurückgenommen.
Vom Terroristen zum bewunderten Staatsmann – Blut an den Händen erhöht nur den Reiz –, dieser Weg war für al-Sharaa kurz. Denn schließlich setzte er in seinem terroristischen Krieg gegen Syrien, wo er den lokalen Ableger von al-Kaida gegründet hatte, nur das um, was der Westen als Ziel vorgegeben hatte: Den Sturz von Baschar al-Assad – um jeden Preis. Hand in Hand arbeiteten al-Sharaas Dschihadisten und der Westen mit seinen Sanktionen daran. Jetzt erfolgte die Ehrenrunde des Siegers in Washington.
Dieser Sieg hat aus westlicher Sicht nur einen Makel: Russland unterhält weiterhin und wie seit Jahrzehnten gute Beziehungen zu Syrien. Die neue Regierung werde die bestehenden Verträge einhalten, betonte al-Sharaa bei seinem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schon im Oktober.
Während al-Sharaa sich international feiern lässt, ist das zerstörte Syrien in Einflusssphären aufgeteilt. Israel im Süden, die Türkei in Idlib, die USA mit ihren kurdischen Verbündeten im Nordosten und womöglich in Zukunft gar mit einem Stützpunkt in Damaskus. Russland bleibt ein wichtiger Faktor in der Küstenregion. Tausende Syrer waren dort während der Massaker auf russische Stützpunkte geflohen.
Al-Sharaa erklärte, ein Sicherheitsabkommen mit Israel sei durchaus möglich, doch müssten sich dazu die israelischen Truppen aus den neu besetzten Gebieten in Syrien zurückziehen.
Der Einfluss der Türkei geht mit ihren engen Beziehungen zur Regierung in Damaskus weit über Idlib hinaus. Mehrere Hundert syrische Militärangehörige werden zurzeit in der Türkei ausgebildet, mittelfristig sollen es mehrere Tausend werden. Und die US-Regierung erwägt, der Türkei mehr Präsenz in Syrien zuzugestehen als Ausgleich dafür, dass sie in Gaza keine Rolle spielen soll. Israel will den türkischen Einfluss da wie dort unterbinden.
Weiterhin ungeklärt ist das Verhältnis zwischen Kurden und der Regierung in Damaskus. Zwar gab es im März eine Einigung auf ein gemeinsames Verständnis und das Ziel, die kurdischen Institutionen und Truppen in den syrischen Staat zu integrieren – aber seitdem erfolgt eine Verhandlungsrunde nach der anderen, die immer wieder auf die selben Probleme stoßen: Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) beharren auf „Dezentralisierung“ und der Eingliederung ihrer Truppen als ein Block in die Armee, was von der Regierung immer wieder abgelehnt wird. Neue Verhandlungen unter Vermittlung der USA sollen jetzt einen Durchbruch bringen.
Und immer noch gibt es Überfälle, Entführungen und Ermordungen aus ethnischen oder politischen Gründen, an denen auch Sicherheitskräfte der Regierung beteiligt sind. Alleine im Oktober gab es 70 oder mehr Tote. Die Versorgungslage in der Provinz Suweida ist weiterhin prekär. Öffentliche Bäckereien mussten schließen, weil es kein Mehl für sie gab.
Internationale Investoren scheuen sich, in Syrien zu investieren. Zwar sind die meisten US-Sanktionen für sechs Monate ausgesetzt – aber niemand weiß, was danach kommt.



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