Am Mittwoch letzter Woche kamen erste 480 Lastwagenladungen mit Hilfsgütern in Gaza an. Für mehr als zwei Millionen Menschen ist das dennoch zu wenig. „Es ist ein Tropfen in einem Ozean der Not“, erklärte das Presseamt der Verwaltung in Gaza. Es müssten 600 Lkw täglich in Gaza ankommen, mit Lebensmitteln, Treibstoff, Haushaltsgas und medizinischen Gütern – langfristig und ohne Unterbrechung. Doch Israel beschränkt weiterhin den Umfang an Hilfslieferungen, teilweise bis auf 50 Prozent. Die Lieferung von Treibstoff oder Gas wird – bis auf Ausnahmen – nicht zugelassen. Seit Sonntag unterbricht Israel gar alle Hilfslieferungen.
Immer wieder verletzt Israel die Waffenruhe mit Artillerieangriffen und selbst mit schweren Bombenangriffen. Entgegen des Abkommens wird die Öffnung des Grenzübergangs Rafah verzögert.
Nach dem Waffenstillstandsabkommen ist die israelische Armee verpflichtet, „sofort“ alle militärischen Operationen zu beenden. Tatsächlich hindert dies das israelische Militär nicht daran, Personen anzugreifen, die zu „Terroristen“ erklärt werden. In den ersten zehn Tagen des Waffenstillstands gab es Dutzende Tote und viele Verletzte.
Der ursprüngliche israelische Vorwurf an die Hamas lautete, die Organisation würde die Vereinbarung nicht einhalten und die Leichen getöteter Israelis zurückhalten. Der israelische Außenminister Gideon Sa’ar sagte vor einigen Tagen: „Wir wissen ganz genau, dass die Hamas eine bedeutende Anzahl von Geiseln zurückgeben könnte. Was sie jetzt tun, ist eine grundlegende Verletzung der Vereinbarung.“ Doch selbst internationale Beobachter erklären, dass die noch nicht geborgenen Leichen tief vergraben unter den Schuttbergen in Gaza liegen und die Bergung erschwert wird durch tausende Tonnen von Blindgängern. Ihre Bergung wird sich lange hinziehen. Um die Drohung wegen des angeblichen Verstoßes gegen die Vereinbarung möglichst lange aufrechterhalten zu können, verweigert Israel gar einer Gruppe türkischer Bergungsspezialisten mit ihrem Gerät die Einreise nach Gaza.
US-Präsident Donald Trump schloss sich israelischen Drohungen an. Werde die Hamas nicht freiwillig ihre Waffen abgeben, würden die USA sie entwaffnen – schnell und mit oder ohne Gewaltanwendung. Als die Hamas echte oder vermeintliche Unterstützer der israelischen Armee standrechtlich erschoss, erklärte er auf seiner Plattform „Truth Social“: „Wenn das weiterhin geschieht, haben wir keine Wahl und müssen Hamas töten.“ Ein Wort von ihm werde genügen, und Israel würde die Angriffe wieder aufnehmen.
So bauen Israel und Trump schon vor Beginn der Verhandlungen zur 2. Phase des Abkommens wieder eine Drohkulisse auf. Wenn sie militärisch dazu in der Lage sind, könnten sie jederzeit unter einem Vorwand die Verhandlungen platzen lassen und den Krieg wieder aufnehmen.
Nach einem Vorfall, bei dem zwei israelische Soldaten in Rafah getötet wurden und von dem sich die Hamas distanziert hat, setzte Israel seine Drohungen mit schweren Bombenangriffen in die Tat um. An diesem Tag gab es fast 50 Tote in Gaza. Für US-Präsident Trump, der Garantien zum Waffenstillstand abgegeben hatte, kein Problem.
Frankreich, Britannien und andere Länder arbeiten inzwischen an einer UN-Resolution, die den Einsatz von internationalen Streitkräften in Gaza ermöglichen soll. Indonesien scheint gewillt, bis zu 20.000 Soldaten einzusetzen.
Die Hamas dagegen verlangt von den Vermittlern, eine Vorgabe des Waffenstillstandsabkommens umzusetzen: Danach sollen lokale Komitees eingerichtet werden, um die Verwaltung von Gaza zu gewährleisten. Die Kontrolle über Gaza soll in den Händen der Palästinenser bleiben.