Die Staatsschulden sind für den internationalen Kapitalverkehr das Schmiermittel schlechthin. Anders gesagt, Staatsanleihen sind für das internationale Finanzkapital zur – zinstragenden – Währung geworden. In welchem Maße der Finanzmarkt sein überdimensioniertes Wachstum der Steigerung der Staatsschulden verdankt, zeigt die langfristige Entwicklung. Die akkumulierte Staatsschuld der so genannten G-7-Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien Großbritannien und Kanada) ist laut OECD von 42 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts im Jahr 1980 auf 82 Prozent zum Zeitpunkt des Ausbruchs der großen Finanzkrise 2007 und heute 128 Prozent gestiegen. Weil private Kapitalisten ihre Verschuldung weniger leicht ausweiten können als Staaten, stützt sich der internationale Finanzmarkt deshalb in immer stärkerem Maße auf den Handel mit Staatsschulden.
Das wichtigste Kriterium für Status oder die Qualität eines Schuldners – Banker benutzen hier das Wort „Bonität“ – ist seine Zahlungsfähigkeit. Die Grundregel der Geldgeber lautet dabei: Ist der Schuldner ein armer Schlucker, muss er hohe Zinsen zahlen, hat er schon Geld wie Heu, wird ihm Kredit zu Minizinsen angeboten. Das ist zwar ungerecht, gilt aber universell auf den nationalen wie den internationalen Kapitalmärkten. Die Grundregel gilt selbstverständlich auch für Staaten.
Wir haben es hier mit dem Hauptprinzip der internationalen Finanzordnung zu tun. Die Frage, ob ein Schuldner zur Bedienung seiner Schulden in der Lage ist, ist keine Frage, die nur mit ja oder nein beantwortet wird. Vielmehr gilt das Prinzip der Wahrscheinlichkeit. Es ist eine Art Hackordnung, wie sie im Hühnerstall vorherrscht. Reiche und finanzkräftige Staaten zahlen geringe Zinsen. Arme Staaten, also die meisten Länder, die mit dem euphemistischen Ausdruck „Entwicklungsländer“ belegt werden, weil sie ihre kapitalistische Entwicklung noch vor sich haben, müssen hohe Zinsen zahlen, wenn sie überhaupt an Kredite kommen. Dazwischen befinden sich die Schuldner geordnet nach der Wahrscheinlichkeit, mit der (in den Augen des international tätigen Geldkapitals) damit zu rechnen ist, dass ein Zahlungsausfall eintritt oder nicht.
Die Höhe der Verschuldung relativ zur Wirtschaftskraft eines Staates (gemessen gewöhnlich am jährlichen Bruttoinlandsprodukt, BIP) ist dabei nur ein Kriterium für dieses Urteil des internationalen Finanzmarktes. So werden die Länder mit der seit Jahrzehnten absolut höchsten und relativ zu ihrer Wirtschaftskraft sehr hohen Verschuldung, USA und Japan, vom Finanzmarkt sehr milde behandelt und müssen zum Absatz ihrer Staatsanleihen erstaunlich niedrige Zinsen bieten. Das ändert sich gerade. Entsprechend aufgeregt ist der Finanzmarkt. Eine Finanzkrise dieser Staaten löst mit einiger Sicherheit ein Beben des globalen Finanzmarktes aus.