Außerordentliche Abläufe in der Regie von Sportsendungen gehören zu den Vorfällen, die ich so richtig nicht mag. Man will Fußball gucken, schaltet den Fernseher an und sieht: Nicht-Fußball. In diesen Fällen heißt es, Contenance zu bewahren und ruhig zu bleiben, bis die überfälligen Berichte zu den Ligaspielen endlich beginnen. Ganz schlimm, wirklich. Aber ich will diese Zumutungen inhaltlich gar nicht bewerten, zumal in der Edition Tiamat schon vor vielen Jahren ein Buch erschienen ist, in dem alles gesagt wurde, was zu sagen war („Grauenhafte Sportarten, mit denen uns das Fernsehen quält“). Hinaus will ich auf was anderes.

Bei manchen Wintersportarten, etwa beim Langlauf, Schanzenspringen oder Biathlon, empfinde ich es als anstößig, dass die Sportler wie wandelnde Litfaßsäulen unterwegs sind und ihre Gesichter von all den Firmenlogos auf ihren Klamotten förmlich umrahmt sind. Ein Investment, das sich offenbar lohnt, denn sogar ich denke bei Skifahrern sofort an diverse Sanitärfirmen und Milka-Schokolade. Ja, man sieht sie direkt vor sich, die Athleten mit ihren zart geröteten Wangen, den markanten Dialekten (die meist eine Herkunft südlich des Weißwurstäquators verraten) und ihren lila Mützen – eine Assoziation, die schon tief blicken lässt.
Bei den Handballern, den Eishockeyspielern oder den Rasern von der Formel 1 sieht es nicht viel besser aus. Mögen die Beklatscher des wertebasierten Schlagmichtot auch noch so laut herumposaunen, dass die Menschen hier frei sind, haben sie sich sogar im hochbezahlten Profisport mehr oder minder sklavisch der werbenden Wirtschaft zu beugen. Da nimmt sich der Fußball, über dessen Kommerzialisierung ständig diskutiert wird, fast schon wieder bescheiden aus, wenn man an das bisschen Reklame auf den Trikots der Spieler denkt. Aber natürlich wird auch im Reich der Fußlümmelei viel ästhetisches Leid verursacht.
Kommerzgetriebene Peinlichkeiten begegnen einem speziell bei den Pressekonferenzen, insonderheit die vor den Cheftrainern hübsch aufgereihten Cola- und Brauseflaschen. Sie erinnern mich an die „Trophäen“ auf den Regalbrettern mancher Zonenkinder, die meinten, mithilfe dieser piefigen Exponate der bunten Glitzerwelt des Westens ihr Zimmer ein bisschen aufhübschen zu können. Heutzutage geht‘s allerdings nicht mehr um symbolische Zurschaustellungen, sondern um praktische Animation: Kauft, Leute, kauft! Anders gesagt: Auf den PKs wird nicht, wie früher, eine Nachfrage demonstriert, sondern ein Angebot. Bei gleicher Wahl der Mittel ist das aber noch viel lachhafter. Und es berührt mich unangenehm.
Aufgereihte Limonaden sieht man leider auch bei Union. Die Sponsorenlogos an der Wand hinter dem Podium ruhen hier aber still und bewegen sich nicht wie in einem Film. Überdies bleibt einem im Presseraum der Alten Försterei der Gipfel der Geschmacklosigkeit erspart: kleine, direkt vor den Trainern angebrachte Monitore, auf denen ebenfalls Logos und sonstiger Werbeklimbim eingeblendet werden. Das ist schon schräg: Die Trainer sprechen über die Leistungen ihrer Mannschaft und um sie herum flimmert es wie sonst was. Man hört immer so viel von der gesellschaftlichen Verantwortung und der Vorbildfunktion des Sports, aber wenn‘s drauf ankommt, züchtet man ein Publikum, das sich auf nichts mehr konzentrieren kann, weil die Rede der Person in einer Flut bunter Reize ersäuft wird. Allerdings besteht die besagte Verantwortung womöglich auch genau darin: aus potenziellen Aufwieglern Hirnis zu machen, die schon an der Lektüre eines Buches scheitern.
Da bleibt mir gerade nur der allzu bescheidene Wunsch, dass man in Köpenick den neuzeitlichen Entwicklungen so weit wie möglich hinterherhinkt. Eisern Union!