Innenminister Dobrindt will kriegstüchtige Schulen – auch, um Eltern zu erziehen

1. Stunde: Kriegspropaganda!

Es sind schwere Zeiten für alle, die einen neuen Beitrag zur Militarisierung der Gesellschaft leisten wollen. Ein Zwangsdienst für Rentner? Schon vorgeschlagen. Wehrpflicht für die Jugend? Alter Hut. Krankenhäuser unter die Erde legen, Kriegsgegner vor Gericht zerren, die Städte mit Militärwerbung zupflastern, die Bahn auf Waffentransporte spezialisieren, die Pfarrer fürs Kriegsglück beten lassen – kaum etwas, das es nicht schon gegeben hätte.

Tag um Tag und ohne Atempause wird der Wahnsinn kultiviert. Der jüngste Vorstoß kam von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ forderte Dobrindt eine Doppelstunde im Schuljahr, in der „darüber diskutiert wird, welche Bedrohungsszenarien es geben kann und wie man sich darauf vorbereitet“. Schließlich seien Kinder „wichtige Wissensträger in die Familien hinein“. Schüler als Multiplikatoren der Kriegspropaganda? Vorschläge dieser Güte hätten vor einigen Jahren noch für empörte Beschämung – zumindest nach außen – gesorgt. Inzwischen haben der Politik- und der Medienbetrieb gelernt, auch für die niederträchtigsten Eingriffe in das Leben junger Menschen Verständnis aufzubringen.

Entsprechend groß war die Unterstützung, nicht nur aus den eigenen Reihen, sondern auch vom Verband Deutscher Realschullehrer. „Schülerinnen und Schüler sollten Wehrpflicht und freiwillige Wehrpflicht so einordnen können, dass sie wissen, was auf sie zukommt“, sagte dessen Vorsitzender Ralf Neugschwender gegenüber dem MDR. Den Grünen ging Dobrindts Vorstoß hingegen nicht weit genug. Der Bundestagsabgeordnete Leon Eckert schlug direkt einen „bundesweiten Übungstag“ vor, „um deutschlandweit Menschen in Krisenvorbereitungen einzubinden“.

Wenn die Kriegsvorbereitung zum Unterrichtsfach wird, dann ist das die Perversion dessen, was Schule als Schutz- und Lernort eigentlich sein sollte – aber in einer kapitalistischen und zudem noch für den Krieg rüstenden Gesellschaft nicht sein kann. Der militaristische Umbau kennt keine weißen Flecken.

Umso wichtiger, dass sich am nächsten Wochenende diejenigen treffen, die Militarisierung und Kriegsvorbereitung Widerstand leisten wollen. Beim 32. bundesweiten Friedensratschlag in Kassel wird am 8. und 9. November vernetzt, geplant und mit Kriegslügen aufgeräumt. Von den Umbrüchen in der Weltordnung bis zum Zusammenhang von Friedens- und Gewerkschaftskampf wartet ein breites Programm auf alle, die weder ihre Kinder noch sich selbst in den Schützengraben legen wollen.

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"1. Stunde: Kriegspropaganda!", UZ vom 31. Oktober 2025



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