Über den vielleicht schlimmsten Revanchisten unserer Zeit

Am rechten Platz

„Es ist vielleicht der schwerste Kriegsverbrecher unserer Zeit (…) Und wir müssen uns einfach darüber im Klaren sein, wie man mit Kriegsverbrechern umgeht. Da ist Nachgiebigkeit fehl am Platz.“

Der da im SAT.1- Interview nicht über Benjamin Netanjahu spricht, engagierte sich in der Katholischen Jungen Gemeinde und wurde noch minderjährig Mitglied in der CDU. Emotionale Ausbrüche und intellektuelle Fehlwahrnehmungen machten Schulwechsel und CDU-Karrierebruch nötig. Seine Vita als Anwalt und Politiker zeigt zuhauf Aufsichtsratsposten und daher da und dort „Inte­ressenkonflikte“, die hierzulande gern in die Welt des Zufalls transferiert werden, wenn der Betreffende noch zu brauchen ist. Soweit eine CDU-Karriere, die Denkweisen wie die obige über einen russischen Staatschef plausibel macht – so wie sie schon im Kalten Krieg zum schlechten Ton gehörten.

Nun ist Friedrich Merz Kanzler der unbeliebtesten Bundesregierung seit 1949. Er verantwortet ein Grenzkontrollregime zu den EU-Nachbarn im Sinne von AfD-Positionen; er sieht Deutschland als „Führer in Europa“ und beschweigt die Sprengung deutscher Energie-Infrastruktur durch Banderas Enkel. Merz lässt weiter Waffen nach Israel verkaufen, weil man darüber „nicht demokratisch abstimmen“ könne, und findet die Tötung von palästinensischen Journalisten nicht etwa abscheulich oder irgendeiner Konsequenz wert, sondern einfach „nicht akzeptabel“. In seiner sterilen Weltsicht sind Israels Raketenangriffe auf den Iran mit hunderten zivilen Opfern nicht etwa ein Kriegsverbrechen, sondern „Drecksarbeit“.

Aber Merz kann nachgiebig sein: Dass ein SPD-Mann das Bürgermeisteramt seiner Heimatstadt Brilon innehatte, erfüllte Merz 2004 „mit tiefem Grausen“, wo doch früher sein Großvater bis zur Pensionierung 1937 in diesem Amt war – womöglich nötige Drecksarbeit. Wladimir Putins Mutter überlebte derweil 872 Tage Hungerblockade Leningrads mit mehr als einer Million Toten, eines der abscheulichsten Verbrechen der Nazis, und verlor dabei ihren zweiten Sohn. Ihren dritten Sohn bezeichnet der Enkel eines SA-Oberscharführers als Kriegsverbrecher.

Der vielleicht schlimmste Revanchist unserer Zeit wäre als Kanzler einer sich ihrer Geschichte bewussten Nation fehl am Platz. Aber erst wenn es dieses Thema ernsthaft angeht, bekommt das Land andere Repräsentanten.

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"Am rechten Platz", UZ vom 12. September 2025



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