Erneut ruft die Friedensbewegung für den 3. Oktober zu Großdemonstrationen in Berlin und Stuttgart auf. Demonstriert werden soll gegen Militarisierung und Aufrüstung. Gegen amerikanische Mittelstreckenraketen und deutsche Atommachtambitionen. Gegen den Krieg in der Ukraine und den Horror in Gaza.
Als Gewerkschafterin gibt es für mich in diesem Jahr fast keinen wichtigeren Termin. Denn die Bundesregierung ist zu einer Politik offener Kriegsvorbereitungen übergegangen. Die Zeit, in der sich die Militarisierung auf Bundeswehrwerbung an Straßenbahnhaltestellen, auf Pizzakartons und Brötchentüten beschränkte, ist vorbei. Jetzt zeigt man uns Bilder von Kindern hinter Maschinengewehren; eine neue Wehrpflichtdebatte droht mit dem Ende von Entscheidungs- und Gewissensfreiheiten; die Agentur für Arbeit forciert Vermittlungsversuche von Arbeitsuchenden in die Armee und die Bundesregierung kündigt durch die Veröffentlichung des „Grünbuches“ an, die Menschen auf harte Einschnitte in der Gesundheitsversorgung vorbereiten zu wollen.
Hochrüstung und Militarisierung gehen Hand in Hand mit einer massiven Attacke auf die sozialen Sicherungssysteme. Das Fundament aus sozialen Errungenschaften und Aushandlungsprozessen droht buchstäblich zu bersten. Der Grund: Die Kriegstreiber wollen sich den Sozialstaat nicht mehr leisten. Die Debatten über die Anhebung des Renteneintrittsalters, die Streichung von Feiertagen, die Flexibilisierung der Arbeitszeit oder die Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zeigen: Unser Sozialstaat soll nicht etwa minimal angegriffen oder abgetragen werden. Es ist vielmehr zu erwarten, dass er regelrecht ruiniert werden wird.
Der Nachdruck, mit dem uns beinahe täglich medial aufbereitet die Frage gestellt wird, wer „das alles noch bezahlen“ soll, und die Absicht, nicht „nur“ Rentner, nicht „nur“ Bürgergeldempfänger, nicht „nur“ Geflüchtete in den Blick zu nehmen, sondern alle gemeinsam, deuten darauf hin, dass die Bundesregierung massive Einschnitte vorbereitet, die selbst durch die alten Spaltungslinien nicht mehr kaschiert und eingehegt werden können. Dieses Mal geht es an die Grundfeste sozialstaatlicher Errungenschaften. Betroffen werden alle sein, die in irgendeiner Weise auf Daseinsvorsorge und soziale Sicherungssysteme angewiesen sind. So forderte die „Wirtschaftsweise“ Monika Grimm jüngst mehr Ehrlichkeit, welche Leistungen wir uns in der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung künftig noch leisten können. Ihr Plädoyer: weitere Leistungskürzungen in einem schon jetzt zunehmend dysfunktionalen Gesundheitssystem.
Unter dem Trommelfeuer des Sozialabbaus buchstabiert sich natürlich auch das Verhältnis von Kapital und Arbeit neu aus. Es entsteht ein Klima des Verzichts, das nicht Rückenwind für gewerkschaftliche Umverteilungskämpfe erzeugt, sondern den Forderungen der Arbeitgeber nach Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung Auftrieb gibt. Dass dabei gewerkschaftliche Tarifpolitik unter Druck gerät, zeigt eine WSI-Untersuchung aus dem letzten Jahr. Demnach bewegten sich die durchschnittlichen Tariflöhne 2024 auf dem Niveau von 2016 – und das trotz guter Tarifabschlüsse in 2022/ 2023.
Als Gewerkschafterin gehe ich am 3. Oktober auf die Straße, um zu zeigen, dass die angespannte finanzielle Lage in den sozialen Sicherungssystemen nicht naturgesetzlich über uns kam. Sie ist das Ergebnis politischer Entscheidungen, unbegrenzt aufzurüsten und den Sozialstaat unter Finanzierungsvorbehalt zu stellen. Dagegen gilt es aufzubegehren. Für Arbeit, soziale Sicherheit und Frieden!
Am 3. Oktober nach Berlin und Stuttgart: nie-wieder-krieg.org