Über verschwundene Lehrer in Baden-Württemberg

Auf Teletubby-Niveau

Anna Becker

Eine Systemumstellung führte in Baden-Württemberg dazu, dass die Software irrtümlicherweise zahlreiche Stellen von Lehrkräften als besetzt auswies, obwohl sie es nicht waren. Das war 2005. Seitdem wuchs diese Zahl auf unglaubliche 1.440 Lehrerstellen an. Das sind 1.440 mal 26 Unterrichtsstunden pro Woche, die den Schülerinnen und Schülern vorenthalten wurden. Das sind 1.440 Referendare, denen keine Stelle angeboten wurde.

Diese Stellen sind eingeplant und notwendig. Sie dürften und müssten unbedingt mit realen, gut ausgebildeten Lehrkräften besetzt sein. Stattdessen existieren sie seit zwanzig Jahren nur auf dem Papier. Papiertiger halten aber weder Englischstunden, noch korrigieren sie Klausuren, machen Ausflüge oder Pausenaufsicht. Das ist der größte Bildungsklau, von dem ich je gehört habe. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz versteht die Aufregung nicht. Durch die Panne sei ja kein finanzieller Schaden entstanden. Im Gegenteil, das Land habe etwa 120 Millionen Euro gespart. Die Summe dürfte um ein Vielfaches höher liegen.

Die GEW legt seit Jahren Berechnungen vor, wie viele Lehrkräfte in Baden-Württemberg fehlen, und kommt dabei zu einem erstaunlichen Ergebnis: Es sollen um die 1.500 sein. Offensichtlich ist die Bedarfsplanung von Schulen gar keine Raketenwissenschaft, man denke nur an die allgemeine Schulpflicht und die Tatsache, dass sämtliche Geburten in Deutschland angezeigt werden müssen. Wer einen Taschenrechner bedienen kann und vor der Realität nicht reflexartig die Augen verschließt, müsste dem Kultusministerium unter die Arme greifen können.

Es gibt auch böse Zungen, die sagen, dass „Dipsy“ – ja, die fehlerhafte Software heißt wie ein grenzdebiler Teletubby, Zufälle gibt’s! – nicht allein schuld sein könne. Durch die angebliche Panne hat das Land Milliarden eingespart und musste sich dafür all die Jahre nicht einmal erklären. Eigentlich ganz praktisch. Zur Wahrheit gehört auch, dass das Problem von verzweifelten Schulleitungen immer wieder angezeigt wurde. Lehrkräftemangel bleibt schließlich niemandem verborgen, der eine Personalplanung machen muss. Eine Schule gilt als voll versorgt, wenn 80 Prozent der Stellen besetzt sind. 80 ist das neue 100, da kann man auch verstehen, dass „Dipsy“ oder wer auch immer 1.440 Stellen verschlampt hat.

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"Auf Teletubby-Niveau", UZ vom 25. Juli 2025



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