Die Ausbeute an neuer literarischer Beschäftigung mit dem Bauernkrieg war zum 500. Geburtstag der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland ganz schön mager. Einige neue Sachbücher, klar, Ausstellungen, Podcasts, alles da. Aber Literatur? Fehlanzeige. Ein historischer Roman, den man nicht lesen kann, weil ständig „Busen beben“ und ähnlicher genreimmanenter Quatsch passiert. Sonst nichts.
Da fällt eine Neuerscheinung aus dem vergangenen Herbst besonders positiv auf. Im österreichischen Verlag Bahoe Books erschien die Graphic Novel „1525. Der Aufstand“ von Giulio Camagni. Der Band changiert zwischen Sachcomic und Erzählung und ist – wie Friedrich Engels‘ „Der deutsche Bauernkrieg“ – nicht chronologisch, sondern örtlich aufgebaut. An verschiedenen Orten folgt man also der Radikalisierung der Bauern, der Entwicklung ihrer Forderungen, der Reaktion der Herrschenden und dem Gemetzel, das der ersten revolutionären Erhebung in Deutschland ein Ende bereitete.
Doch schon auf den ersten Blick fällt auf, dass Camagni großen Wert auf die einzelnen Figuren gelegt hat und nicht kalt die Geschichte „heruntererzählen“ will. Seine Figuren sind voller Emotionen, detailreich in den Gesichtern dargestellt. Die Dialoge stehen gleichwertig neben den für eine Graphic Novel ungewöhnlich vielen Infotexten.
Außergewöhnlich klar ist Giulio Camagni, wenn es um die Darstellung Martin Luthers und seines Verrats an den Bauern geht. Nicht zufällig hat er von allen aus der Zeit des Bauernkriegs überlieferten Texten und Äußerungen ausgerechnet das Luther-Zitat aus „Wider die morderischen und räuberischen Rotten der Bawren“ vorangestellt: „Man soll sie zerschmeißen, würgen, stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund erschlagen muss.“
Leider stellt Camagni den Anlass für die Schrift Luthers verzerrt da. „Während der Großteil der Bauerntruppen die Stadt belagert, stürmt eine Einheit die Burg. Sie gelangen in die Burg und brechen das Tor von innen auf. Die Frau Gräfin (von Helfenstein, MD), Tochter des verstorbenen Kaisers Maximilian, und ihr kleiner Sohn werden festgenommen. Alle Verteidiger werden erstochen und die Burg in Brand gesetzt.“ Kein Wort zu der Drohung des Grafen Helfenstein, die Bauern verbrennen zu lassen, sollten sie nicht nach Hause zurückkehren, kein Wort zur Ermordung der bäuerlichen Parlamentäre, die dem Sturm der Burg, der Weinsberger Bluttat, vorausging. Schade.
Stark wird die Graphic Novel, wenn Camagni Luther entlarvt – und Müntzer und sein Wirken darstellt. Während die Leichen der Bauern noch auf den Schlachtfeldern verrotten, feiert Luther seine Hochzeit mit Katharina von Bora. Zwar nur im kleinen Kreis, aber geschmacklos genug, um einige Gäste von der Teilnahme abzuhalten. Zudem rühmt sich Luther mit Müntzers Tod und spricht sich für die härtesten Repressionen gegen die Bauern aus.

Eine Doppelseite der insgesamt nur 109 Seiten langen Graphic Novel hat Camagni den Memminger Artikeln gewidmet. Einer liest sie noch einmal vor und man sieht die Zufriedenheit der Zuhörer, meint fast, sie zustimmend nicken zu sehen, als sie ihre Forderungen in den zwölf Artikeln zusammengefasst hören. Auch hier zeigt sich die Stärke von Giulio Camagnis Stil, die Figuren in den Mittelpunkt der Geschichte zu stellen, ohne jedem Dialogzeilen oder konkrete Handlungen zuzuweisen.
Interessant ist auch der Blick auf die Perspektive der Herrschenden. Ihnen wird genauso viel Platz eingeräumt wie den Aufständischen, ihr Hohn, ihre Arroganz und Empörung ob der Forderungen der Bauern fängt Camagni ein, zeigt aber auch deutlich, was neben dem Glauben an die eigene, gottgegebene Überlegenheit zu ihren Entscheidungen beigetragen hat.
Camagni zeigt, woher das Interesse des Adels an der Reformation kam, schränkte er doch die Macht der Katholischen Kirche ein.
Dass Camagni auf eine durchgehende Geschichte mit Hauptfiguren verzichtet und in einer Art Montagetechnik zwischen Orten und Zeiten hin und her springt, verlangt den Leserinnen und Lesern der Graphic Novel einiges an Konzentration ab. Wer die aber aufbringt, wird belohnt mit einem guten Überblick über die frühbürgerliche Revolution.
Camagni endet mit Dürer. Dieser war der Überzeugung: „Vom evangelischen Wort animiert, ist der gemeine Mann aufgestanden, um ein christliches Leben zu verlangen, und von den Menschen, die ihn schützen hätten sollen, ist er verraten worden.“ So deutlich findet man das nicht in allen Veröffentlichungen zum 500. Jubiläum des Bauernkriegs.
Giulio Camagni
1525. Der Aufstand
Bahoe Books, 109 Seiten, 28 Euro
Erhältlich unter uzshop.de