NATO bekommt Westfälischen Friedenspreis

Ausgezeichnet

Der mit 100.000 Euro dotierte Westfälische Friedenspreis 2026 geht an das Militärbündnis NATO. Das sorgt selbst in den Redaktionsstuben der gewohnt kriegsgeilen bürgerlichen Presse für Verwirrung. Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ war ganz außer Atem: „Man liest das, denkt nach – und dann kommt ein Gefühl auf: Da stimmt was nicht!“ Auch die „Süddeutsche“ bemühte ihren Denkapparat – allerdings nur kurz. Sie titelte „Ein Friedenspreis für die NATO? Klingt paradox, ist aber richtig“.

Verliehen wird der Preis durch die „Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe“, ein steuerbegünstigt-gemeinnütziger Verein und Hort ausgewiesener Transatlantiker. Zur Jury gehören neben anderen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz, der Grüne Cem Özdemir, NRW-Ministerpräsident Hen-drik Wüst und Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen. Der Prinz und Nachfahre des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. wurde vor einigen Jahren dadurch bekannt, dass er vom Land Brandenburg eine Millionenentschädigung für die Junker-Ländereien forderte, die seinem Geblüt nach 1945 von der sowjetischen Militärverwaltung weggenommen wurden. Die Enteignung gründete sich damals auf das Verhalten solch unrühmlicher Gestalten wie die des Kronprinzen Wilhelm von Preußen. Der empfahl 1932 dem Reichsminister des Inneren, das „wundervolle Menschenmaterial, das in SA und SS vereinigt“ sei, zu schonen und stattdessen lieber Kommunisten „aufs Pflaster zu legen“.

Der Friedenspreis für die NATO reiht sich ein in eine lange Liste ähnlicher militaristischer Selbstbeweihräucherungen. „Von der Ukraine lernen heißt furchtlos und tapfer sein“ predigte der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel im Oktober dieses Jahres von der Kanzel der Frankfurter Paulskirche. Mit diesen Worten bedankte er sich für die Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreises des deutschen Buchhandels. Die Preisträgerin des Vorjahres war Anne Applebaum, ihres Zeichens „Analytikerin der autoritären Entwicklung Russlands“ und Ehefrau des früheren polnischen Außenministers Radosław Sikorski. Der hatte vorschnell, aber zutreffend die Sprengung der Gaspipeline Nord Stream 2 auf Twitter mit „Danke, Amerika“ kommentiert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihn im vergangenen Jahr für das neue Ressort des EU-Verteidigungskommissars vorgeschlagen. Da schließt sich der Kreis: Von der Leyen wurde in diesem Jahr mit dem „Internationalen Karlspreis zu Aachen“ ausgezeichnet – für ihre „Verdienste um die Geschlossenheit des Verteidigungswillens gegen Russland“.

Nachdem die transatlantische Politikerriege und die Kriegsbündnisse EU und NATO bedient sind, steigen die Chancen für Rüstungsschmieden Heckler & Koch und Rheinmetall, die nächsten Friedenspreise abzuräumen. Im Vorgriff auf die neue Wehrpflicht sollte auch ein Preis für Boris Pistorius drin sein.

Die Basis für die Absurditäten deutscher Friedenspreise liefert die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So heißt es im Artikel 24 des Grundgesetzes: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen“. Gemeint sind NATO und EU. Schon in der „AWACS“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Beteiligung deutscher Soldaten an Auslandseinsätzen 2001 erschien das Kriegsbündnis NATO als Garant des Friedens in Europa und der Welt. Wen interessieren schon die Bomben auf Belgrad und Novi Sad, die Verteidigung unserer Freiheit am Hindukusch oder vor Kiew? Seit 2009 leistet sich die EU im Vertrag über die Europäische Union auch einen „Bündnisfall“. Damit steht weiteren Friedensmissionen nichts mehr im Wege. Preise gibt es dafür auch, nur werden sie von denen gezahlt, die auf den neuen Schlachtfeldern zurückbleiben.

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"Ausgezeichnet", UZ vom 14. November 2025



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