Das DGB-Bildungswerk bietet Geflüchteten direkte Beratung und zieht daraus Schlüsse für die gewerkschaftliche Arbeit

Beraten, bilden, gemeinsam kämpfen

Daniel Weber leitet den Bereich Migration und Gleichberechtigung im DGB-Bildungswerk Bund. Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK), die am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand, nahm er an der Podiumsdiskussion zum Thema „Flucht, Migration und Klassenkampf“ teil.


UZ: Du hast während der Podiumsdiskussion auf der RLK die Notwendigkeit eines Beratungsangebots für Geflüchtete betont, die in Deutschland ausgebeutet werden. Das DGB-Bildungswerk bietet direkte Beratung für Geflüchtete an. Mit welchen Themen kommen die Kolleginnen und Kollegen zu euch?

Daniel Weber: Wir haben jetzt seit gut zwei Jahren den Projektverbund „Faire Integration“ im sogenannten „IQ Netz“, die sich vor allen Dingen an Menschen richtet, die aus sogenannten Drittstaaten kommen. Das können Geflüchtete sein oder Menschen aus ähnlich prekären Zuwanderungssituationen. Beim Projekt „Faire Integration“ melden sich meist Menschen, die in den Branchen Leiharbeit, Paketzustellung, Transportlogistik oder in einer Gaststätte arbeiten – aber das geht bis hin zu häuslichen Dienstleistungen wie dem 24-Stunden-Pflegebereich. Alle Gewerkschaftsbereiche sind betroffen und wir hören die verschiedensten Geschichten.

Der Klassiker ist immer: Ich kriege keinen Lohn. Darüber hinaus geht es sehr häufig um Kündigungen, die die Betroffenen zum Teil sogar selber unterschrieben haben, weil entweder die Rechte nicht bekannt sind oder man Angst hat, sonst keinen Job mehr zu bekommen. Das sind so die typischsten Fälle, würde ich sagen.

UZ: Das heißt, euer Ziel ist aber nicht in erster Linie, die Betroffenen zu organisieren, sondern ihr macht tatsächlich in erster Linie Rechtsberatung und helft bei ganz konkreten Anliegen?

Daniel Weber: Die eigentliche Projektarbeit besteht darin, direkt zu beraten, zu konkreten Fragen. Wir unterstützen und versuchen auch präventiv das eine oder andere mitzugeben. Aber natürlich denkt sowohl der DGB als auch das Projekt weit darüber hinaus. Dadurch, dass wir von diesen ganzen Situationen wissen, merken wir ja auch, an welchen Stellen politisch etwas verändert werden muss. Das Stichwort Paketbranche habe ich ja bereits erwähnt, wo über Subunternehmertum sehr viel passiert, was unserer Auffassung von fairer Arbeit widerspricht. Das ist ein Teil der Wirtschaft, auf den in Deutschland zuwenig geschaut wird. Wir können die Arbeitsbedingungen transparent machen und thematisieren das zum Beispiel auch in unserer politischen Bildung.

Was wir in der Beratung erleben, dient auch dazu, über Alternativen nachzudenken und zu sagen: So kann es nicht weitergehen. Und es führt uns zu der Frage, wie die Wirtschaft anders gestaltet werden kann, damit solche Ausbeutungssituationen, wie wir sie ganz konkret vermittelt bekommen, nicht mehr möglich sind.
Als DGB greifen wir diese Fragen auf. Die Organisierung der Beschäftigten ist dann Sache der Gewerkschaften, mit denen wir natürlich eng zusammenarbeiten.

UZ: Ist das Hauptproblem, dass Arbeitgeber, Leiharbeitsfirmen und so weiter bei der Beschäftigung von Geflüchteten nicht nach deutschem Recht handeln oder ist es nicht zum Teil auch legal, wie sie agieren?

Daniel Weber: Es gibt beides. Die Hauptfälle, wo wir direkt unterstützen können, sind selbstverständlich die, wo nicht nach deutschem Recht gehandelt wird. Da kann man am Leichtesten unterstützen, Rechtsbeistand organisieren, Briefe aufsetzen, mit Öffentlichkeit drohen. Aber es gibt viele Stellen, wo prekäre Arbeitsbedingungen ganz legal sind und wo schwierige Arbeitsbedingungen herrschen, – und da beraten wir natürlich auch.

Über die Öffentlichkeitsarbeit und über die Thematisierung in der Bildungsarbeit können wir herausarbeiten, was faire Arbeit für alle bedeutet. Wir sind auch darauf angewiesen, dass Gewerkschaften an dieser Stelle aktiv werden und das können sie vor allem dort, wo sie eine breite Mitgliedschaft haben.

UZ: Gibt es eine Forderung des DGB oder eine Forderung, die du aus der Erfahrung deiner Arbeit ableiten würdest, wo du sagst: Das müsste jetzt sofort verändert werden?

Daniel Weber: Der Mindestlohn ist zu niedrig. Das ist sofort erkennbar, dass Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten müssen, nicht ausreichend Lohn haben, um davon leben zu können. Sie geraten damit unter Druck, Dinge zu tun, die weit über eine geregelte Beschäftigung hinausgehen.

Wir kommen mit vielen Menschen in Kontakt, die zum Beispiel in Extraschichten Pakete ausfahren, ohne zusätzlich viel Geld dafür zu bekommen. Und das machen sie aufgrund des Drucks des niedrigen Mindestlohnes. Der müsste sofort angehoben werden – das ist zwar keine Lösung für alles, aber ganz zentral.

UZ: Was würdest du Kolleginnen und Kollegen raten, die Gewerkschaftsmitglied sind und die in ihrem Betrieb mitbekommen, dass Geflüchtete in besonderem Maße ausgebeutet werden?

Daniel Weber: Erst mal genau gucken, so dass wir halbwegs umreißen können, ob zum Beispiel irgendwelche Subunternehmensketten involviert sind, sodass wir einschätzen können, wie wir am besten darauf reagieren können. Wenn das der Fall ist, können wir Druck erzeugen, indem wir den Generalunternehmer ansprechen. Die wollen ja in der Öffentlichkeit nicht unbedingt dafür bekannt werden, dass es bei ihnen schlimme Arbeitsbedingungen gibt.

Man muss genau hinschauen, welches System dahinter steht, welche Strukturen. Dann sollte man sich entweder an uns wenden oder an vergleichbare Beratungsstellen, um eine gemeinsame Strategie zu überlegen. Die richtige Strategie muss dabei nicht immer der Gang vors Gericht sein. Es ist auch nicht immer eine betriebliche Strategie, es kann auch was Überbetriebliches sein.

UZ: Du hast hier auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz zum Thema „Flucht, Migration und Klassenkampf“ diskutiert. Was ist deine Schlussfolgerung aus der Debatte?

Daniel Weber: Aus meiner Erfahrung – ich bin dreizehn Jahre in diesem Feld tätig – sind sehr viele Migrantinnen und Migranten in den Gewerkschaften aktiv und stellen sehr starke Forderungen. Zum Teil erkennen sie Dinge früher als andere Beschäftigte, auch weil sie oft als stärkstes betroffen sind.

Für mich bedeutet das, dass alle sehr viel zu gewinnen haben, wenn der Kampf gemeinsam geführt wird und wir uns nicht spalten lassen. Die Kapitalseite sieht, wenn wir uns spalten lassen, dass wir weniger Macht haben. Und zum anderen nutzt es den Rechten, die eben auch diese Spaltung nutzen, um dann Leute abzuziehen für ihre seltsamen Formen der rassistischen Bewegung.

Das ist das eine Wichtige, dass wir zusammen kämpfen, damit wir als Arbeiterbewegung vorankommen.

Das Interview führte Lars Mörking

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"Beraten, bilden, gemeinsam kämpfen", UZ vom 17. Januar 2020



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