Im Juli stimmte die Knesset mit großer Mehrheit für eine symbolische Resolution, die die Annexion der Westbank forderte. 71 Abgeordnete stimmten für die Anwendung israelischer Gesetze und Verwaltung in den Gebieten israelischer Siedlungen auf der Westbank. Bei der jetzigen Abstimmung über ein konkretes Gesetz zur Annexion dieser Gebiete stimmten 25 Abgeordnete in der ersten Lesung dafür, 24 dagegen. Der Likud enthielt sich fast vollständig.
Mehr Stimmen erhielt ein Entwurf von Avigdor Lieberman von der Partei „Israel Beitenu“. Darin ging es um die Annexion der Siedlung Maale Adumim östlich von Jerusalem. 32 Abgeordnete stimmten dafür, 9 dagegen. Zu den Unterstützern gehörten bemerkenswerterweise auch die Oppositionspolitiker Yair Lapid von der Partei „Jesch Atid“ und der Parteichef von „Kachol Lavan“ Benjamin Gantz.
Für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu waren diese Abstimmungen eine Provokation. US-Präsident Donald Trump hatte erst kurz zuvor eine Annexion der Westbank ausgeschlossen, sein Vizepräsident J. D. Vance war zur Zeit der Abstimmung in Israel.
Saudi-Arabien und eine Reihe weiterer arabischer und islamischer Staaten, darunter Pakistan, Palästina, Malaysia, Libyen und Katar, protestierten in einer gemeinsamen Erklärung gegen diese „offene Verletzung des internationalen Rechts“.
Doch für Netanjahu und seine Partei steht nicht die förmliche Annexion „de jure“ im Vordergrund. Wichtig sei, was vor Ort geschieht. So unterliegen israelische Siedlungen faktisch israelischem Zivilrecht, etwa in Bezug auf Steuern, Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur. Palästinensische Gebiete dagegen unterliegen weitgehend militärischem Besatzungsrecht.
„Wir stärken die Siedlungen jeden Tag mit unserem Handeln, mit Finanzierung, Bau und Industrie, nicht mit Worten“, heißt es in einer Erklärung des Likud, und weiter: „Wahre Souveränität wird nicht mit Vorzeigegesetzen erreicht, sondern durch die Arbeit vor Ort.“
Zu dieser „Arbeit vor Ort“ gehören auch die Angriffe von Siedlern und der Armee auf palästinensische Dörfer und Städte, die sich seit Beginn des Krieges vervielfacht haben. Die Angriffe häufen sich gerade jetzt während der Olivenernte.
Während die Annexion der Westbank „de facto“ voranschreitet, gibt es Pläne auch für Gaza. Israel und die USA stellen Überlegungen an, Gaza in zwei Teile zu spalten, ein Teil unter Kontrolle Israels, der mit internationaler Hilfe wieder aufgebaut werden soll, und ein Teil unter Kontrolle der Hamas, der weiterhin ein Trümmerfeld bleiben soll. Eine Reihe von arabischen Staaten lehnen solche Überlegungen ab, weil die Teilung von Gaza zu einer israelischen Besatzung führen würde. Sie verlangen, die Kontrolle über Gaza solle in den Händen der palästinensischen Autonomiebehörde liegen – doch die israelische Regierung weist das zurück.
Eine Reihe von palästinensischen Organisationen – darunter auch die Hamas – trafen sich mittlerweile in Kairo, um die gemeinsamen Perspektiven für Gaza zu diskutieren. Ihr Ziel ist, den Waffenstillstand zu erhalten und den Wiederaufbau von Gaza einzuleiten. Dazu soll eine Regierung von lokalen Fachkräften gebildet werden. Sie soll in Zusammenarbeit mit arabischen und internationalen Einrichtungen die Grundversorgung der Bevölkerung sichern.
Mustafa Barghouti, ein palästinensischer Politiker und Vorsitzender der sozialdemokratischen „Palästinensischen Nationalen Initiative“, wies in diesem Zusammenhang die israelischen Pläne zurück. Er betonte, dass der Gazastreifen in einer künftigen Lösung nicht von der Westbank getrennt werden dürfe und wies eine ausländische Kontrolle über Gaza zurück.



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