Was ist denn los in diesem Land? Der „Linke“-Politiker Dietmar Bartsch fordert pünktlich zum Jahrestag der Annexion der DDR, auch ehemalige NVA-Angehörige als Reservisten in die Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus einzubeziehen. Als Anerkennung der Lebensleistung der Menschen in den ostdeutschen Bundesländern. Transmann Damian aus Rostock bekennt in der RTL2-Sendung „Hartz und herzlich“, dass er trotz seines leichten Übergewichts unbedingt zur deutschen Marine will, weil er es schön findet, sein Vaterland zu verteidigen. Ich weiß nicht, was ich trauriger finde. So sehr als Farce darf sich Geschichte doch nicht wiederholen!
Irgendwie war „der Russe“ als abstrakte, unzivilisierte Bedrohung aus dem Osten ja immer da. Oder er war nie wirklich weg. Trotzdem ist Generationen vor uns etwas inzwischen sehr Bemerkenswertes gelungen. Sie haben bestimmt, worin das eigene Interesse liegt – auch über das Stück Brot am Tag hinaus. Ja, unser Interesse liegt darin, ein bezahlbares Dach über dem Kopf samt Heizung zu haben. Es liegt darin, eine funktionierende Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit zu haben. Und in kühnen Momenten war es uns noch dazu möglich, darüber hinaus zu denken, zu streben und zu kämpfen: Für Gerechtigkeit, Solidarität, soziale Sicherheit und eine lebenswerte Zukunft in Frieden. Für Rosen eben.
Und nein, all das wird nicht „vom Russen“ bedroht. Brot und Rosen werden von einem System bedroht, das alles dem Profitstreben unterordnet und dafür verstärkt auf Krieg und Aufrüstung setzt. Immer schon. Das Absurde an diesen Zeiten: Die Rosen, also die Forderung nach einem besseren Gesellschaftssystem, nach einer besseren Zukunft, stehen gar nicht mehr zur Debatte. Womöglich sind sie Teil der „Friedensdividende“, die von den bösen Babyboomern „verfrühstückt“ wurde.
Anstatt diesen Zustand in Frage zu stellen und nach etwas Besserem als dem tagtäglichen, unmenschlichen kapitalistischen Wahnsinn zu streben, werden wir vor die maximal absurde Wahl gestellt: „Kanonen statt Butter“ oder „Kanonen und Butter“.
Ich will gar keine Kanonen! Auch nicht als Beigabe zur Sicherung eines buttrigen Status quo, mit dem ich noch nie zufrieden war. Ich will meine Rosen zurück! Und zwar als allumfassende linke Selbstverständlichkeit. Wir sollten uns in dieser Frage wirklich nicht länger die Butter vom Brot nehmen lassen.