Das Ruhrgebiet braucht neue Arbeitsplätze und preiswerten Wohnraum!

Erklärung der DKP-Kreise Essen und Bottrop zum Konzept „Freiheit Emscher“

Mit dem „Interkommunalen Entwicklungsplan Essen – Bottrop“
soll ein Areal von 1.700 Hektar unter dem Werbeslogan „Freiheit
Emscher“ entwickelt werden. Es ist das größte
Stadtentwicklungsprojekt in NRW. Auf diesem Gebiet liegen fünf
ehemalige Bergbauflächen mit insgesamt 150 Hektar. Damit diese
Region im Ruhrgebiet entwickelt werden kann, ist es notwendig, sich
von dem Diktat des Bergbaus und den Profitinteressen von
Grundbesitzern zu befreien.

Die DKP lehnt den Interkommunalen Entwicklungsplan Essen –
Bottrop ab, da er vorrangig die Interessen der Industrie und zu wenig
die Erfordernisse der Bevölkerung für bezahlbaren Wohnraum, nach
einer sauberen Umwelt und Verkehrsvermeidung, die Schaffung
qualifizierter Arbeitsplätze und eine aktive Bürgerbeteiligung
berücksichtigt.

Die ehemaligen Flächen des Bergbaus, die sich derzeit im Besitz
der RAG sowie der RAG Montan Immobilien befinden, sind in
öffentliches Eigentum zu überführen. Die Sanierung und Beseitigung
von industriellen Altlasten des Bergbaus, eigentlich eine Aufgabe der
alten Zechenbesitzer, wurde zu einer öffentlichen Aufgabe erklärt,
die große Summen des Bundes, des Landes NRW wie auch aus dem
EU-Strukturfond verschlingen wird.

Frei nach dem Motto „Gewinne privatisieren, Schulden
verstaatlichen“ wollen die RAG und ihr Tochterunternehmen RAG
Montan Immobilien die Entwicklung der ehemaligen Bergbauflächen zu
einem lukrativen Geschäft machen.

Die Ruhrgebietsstädte müssen ihre Handlungs- und
Gestaltungsmöglichkeiten über die Bergbauflächen zurück erlangen
und das Diktat der Kohlebarone damit beenden. Das ist nur möglich,
wenn die bisherigen Bergbauflächen in öffentliches Eigentum
überführt werden.

Mit dem Namen „Freiheit Emscher“ soll etwas Positives
vermittelt werden. Dazu heißt es in dem Konzept: „Freiheit, so
hießen bereits im Mittelalter Gebiete, in denen Menschen besondere
Rechte, etwa Handelsprivilegien, genossen und die in der Folge eine
besondere Blüte erlebten.“ Diese „Blüte“ und „Freiheit“
wird mit dem größten und ambitioniertesten Stadtentwicklungskonzept
in NRW allerdings nur – und das mit besonderen Privilegien – dem
Finanzkapital angeboten. Die verantwortliche Planungsgesellschaft
„Stahm Architekten“ wirbt dafür, die Flächen als eine
interkommunale und öffentlich-private Zusammenarbeit zu entwickeln.
Diese öffentlich-private Kooperation soll hierfür eine gesonderte
Managementstruktur erhalten. Damit werden dem Finanzkapital – mit
Hilfe der beiden Städte und des Landes NRW – ganz besondere
Anlage- und Gewinnmöglichkeiten geboten.

Diese öffentlich-private Zusammenarbeit lehnt die DKP entschieden
ab.

Die DKP lehnt ebenso die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft,
einer GmbH mit Aufsichtsrat, zur Nachnutzung von Bergbauflächen in
Kooperation mit der RAG Montan Immobilien ab. Die Federführung würde
bei der RAG Montan Immobilien liegen, die Städte spielen nur eine
Statistenrolle.

Die Stadträte von Essen und Bottrop müssen die demokratische
Kontrolle über den Flächennutzungsplan und die notwendigen
Bebauungspläne ausüben und Entscheidungen über den Fortgang des
Interkommunalen Entwicklungsplanes über einen Zeitraum von 10 bis 20
Jahren treffen. Das darf nicht durch eine undurchsichtige
Entwicklungsgesellschaft geschehen, die ausschließlich von den
Gewinninteressen der RAG Montan Immobilien geleitet wird. Für diese
Aufgabe muss städtisches Personal in Bottrop und Essen eingestellt
werden.

Das Konzept „Freiheit Emscher“ beinhaltet eine hochpreisige
Wohnbebauung. Die Erschließung der Emscher und des
Rhein-Herne-Kanals darf sich jedoch nicht am Beispiel des Dortmunder
Phoenix-Sees orientieren. Statt hochpreisigem Wohnungsbau und einer
Marina für Besserverdienende in Essen müssen bezahlbarer Wohnraum
und kostenlose Freizeitmöglichkeiten für die Menschen im Revier ein
wesentliches Planungsziel sein.

Der Essener Norden und der Bottroper Süden haben die stärksten
Umweltbelastungen im Ruhrgebiet. Der Krebsatlas weist hier die
höchsten Werte in NRW auf.

Das Konzept für diese Region sieht jedoch keine Maßnahmen zur
Reduzierung der Umweltbelastungen vor. Ziel muss es sein,
emissionsfreie Arbeitsplätze in der Industrie und im
Dienstleistungsbereich zu schaffen. Dies schließt die Ansiedlung von
Logistikunternehmen aus, wie sie auf der Fläche Emil-Emscher in
Essen an der B224 geplant ist.

Notwendig ist eine Festlegung, wie viele neue Arbeitsplätze in
welchen Branchen geschaffen werden sollen.

Das Konzept beinhaltet den Ausbau der B 224 zur Transitautobahn A
52 sowie eine Fortführung der A 52 in den Essener Süden. Dies würde
jedoch zu einer massiven Verschlechterung der Wohn- und
Lebensbedingungen und einer weiteren Umweltzerstörung in den
betroffenen Stadtteilen in Essen und Bottrop führen. Auch diese
Planung orientiert sich ausschließlich an den Interessen der
Industrie. Zukunftsorientierte Mobilitätskonzepte sind nicht
vorgesehen. Daran ändert auch die geplante „Umwelttrasse“ zur
Erschließung des Planungsraumes nichts.

Viel zu gering ist die Orientierung des Konzepts auf die Schaffung
von neuem preiswertem Wohnraum. Die aufgeführten Wohngebiete in der
Ebel sowie in der Welheimer Mark in Bottrop sind schon seit längerem
geplant. Schnell ließe sich in Bottrop auf dem Prosper II-Gelände
an der Knappenstraße Mietwohnungsbau realisieren. Zukünftig sollte
auch Mietwohnungsbau im Sturmshof auf Bottroper und Essener Gebiet
sowie auf der Fläche Hafen Coelln-Neuessen in Essen realisiert
werden. Eine Aufwertung des Wohnumfeldes der bestehenden
Wohnsiedlungen in der Ebel und Welheimer Mark in Bottrop sowie in
Vogelheim und Altenessen-Nord in Essen fehlt im Konzept völlig. Der
geplante Ausbau der A 42 verschlechtert die Lebenssituation der
Anwohner in Essen und Bottrop. Am Sturmshof in Bottrop werden
Hausbesitzer vertrieben, in Altenessen werden die Anwohner ihre
Gärten verlieren und die Autobahn rückt noch näher an ihre Häuser
heran.

So, wie die Belange der Menschen hinsichtlich bezahlbaren
Wohnraums weitgehend außer Acht gelassen werden, reduzieren sich
ökologische Aspekte in der Planung auf eine „Umwelttrasse“.
Völlig unberücksichtigt bleibt, dass mit dieser Planung erhebliche
Freiflächen, die für den Frischluftaustausch im Essener Norden und
im Bottroper Süden von herausragender Bedeutung sind, überplant
werden. Das bisherige Freiraumkonzept ist völlig ungenügend.
Angesichts der Klimaerwärmung und der damit verbundenen nachteiligen
Entwicklung für das Stadtklima wäre das ökologisch ein fataler
Schritt.

Die nachhaltige Entwicklung eines 1.700 Hektar großen
Plangebietes erfordert die aktive Einbeziehung und Einflussnahme der
Bürgerinnen und Bürger im Essener Norden und Bottroper Süden. Dies
ist in dem Konzept des Interkommunalen Entwicklungsplanes nicht
vorgesehen.

Die Planung darf nicht allein privaten Planungsbüros überlassen
werden.

Statt einer „interkommunalen-privat-öffentlichen Kooperation“,
bei der die Interessen der Industrie und der Finanzindustrie den
Ausschlag geben, ist eine breite Beteiligung von Gewerkschaften,
Mieter*innen-, Sozial- und Naturschutzverbänden sowie der
Öffentlichkeit notwendig.



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