Rede von Katharina Niebergall auf der Friedensdemonstration in Uedem am 3. Oktober 2025

Der Regierung einen Strich durch die Rechnung machen

Katharina Niebergall

Mehr als 250 Menschen haben am 3. Oktober in Uedem unter dem Motto „Zukunft ermöglichen, Frieden schaffen“ für Frieden, Entspannungspolitik und Abrüstung demonstriert. Der Aufruf kritisierte den immer weiter gehenden Ausbau der Leitzentrale der Luftwaffe vor Ort, unweit des Ruhrgebiets. Die Demonstration startete am „Weltraumkommando“ der Bundeswehr außerhalb der Gemeinde am Niederrhein. „Uedem und Kalkar sind die Orte, von denen aus zukünftige Luftkriege geführt werden“, erläuterte Ansgar Schmidt. „In den kommenden Jahren sollen hier noch weitere Milliarden investiert werden, um Deutschland kriegstüchtig zu machen.“ Der Bezirksvorsitzende der DKP Ruhr-Westfalen hatte die Demonstration mitorganisiert. Die DKP sei gut sichtbar gewesen. Auf der Abschlusskundgebung auf dem Markplatz sprach Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung. Katharina Niebergall von der jungen GEW war verhindert. Ihre Rede wurde von einer Kollegin verlesen. Niebergall fordert ein Sondervermögen für Bildung und Soziales statt für Rüstung. Sie verweist auf die anstehende Tarifrunde der Länder. Es gebe nicht nur keine Geschenke – Verschlechterungen seien zu befürchten. „Es wird unsere Aufgabe als Gewerkschafter sein, die Forderung nach mehr Geld für Bildung statt für Waffen in die Tarifkämpfe zu tragen, und es wird unsere Aufgabe als Friedensbewegung sein, den Zusammenhang zwischen der aktuellen Sparpolitik und der geplanten Aufrüstung in die Arbeitskämpfe hineinzutragen.“ Wir dokumentieren ihre Rede in voller Länge:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

„Die Bildungstrends zeigen, dass seit mehr als zehn Jahren die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die die in den Bildungsstandards definierten Mindeststandards nicht erreichen, ansteigt. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die die Optimalstandards erreichen, deutlich zurückgegangen“, teilt uns das Schulministerium mit und verkündet anschließend hochtrabende Maßnahmen im Rahmen des sogenannten „Schulkompass 2030“. Wer Lehrer oder Schüler ist oder einfach mit offenen Augen mal eine Schule von innen gesehen hat, kann die Gründe leicht erraten: ein veraltetes Schulsystem, mit horrendem Personal- und insbesondere Lehrermangel, in zum Teil verrottenden Gebäuden. Doch der Schulkompass von Frau Feller weist nicht Richtung bedarfsgerechter Finanzierung der Bildung. Während in den vergangenen zwei Jahren der Druck auf die Kollegen durch Beschränkung der Teilzeit und mehr Versetzungen bereits erhöht wurde, um die Unterrichtsversorgung zu „sichern“ – die Folgen sind unter anderem höhere Kündigungsquoten und Krankheitsraten –, sollen nun eine stärker „datengestützte“ Analyse und mehr standardisierte Tests den Karren aus dem Dreck ziehen. Klar ist: Die Maßnahmen erhöhen den Leistungsdruck bei Schülern und die Arbeitsbelastung der Kollegen, da sie nicht die Wurzel des Problems treffen.

Und während man sich in Nordrhein-Westfalen noch rühmt, man würde im Bereich Schulen nicht kürzen – bei stark steigenden Schüler:innenzahlen! –, sind viele andere Bereiche des Sozialen bereits viel offensichtlicher betroffen: Die Jugendhilfen, Angebote für Geflüchtete oder von Armut Betroffenen wurden bereits 2024 massiv gekürzt, der „Herbst der Reformen“ verspricht weiteren Kahlschlag. Doch Friedrich Merz will sich von diesem Wort nicht irritieren lassen. Es wird Zeit, dass man ihn und seine Regierung mit Gegenwehr gegen diesen Kahlschlag nicht nur irritiert, sondern ihnen einen Strich durch die Rechnung macht.

Doch vielleicht können ja die Sondervermögen nun Abhilfe schaffen? Da gibt es ja eines für Infrastruktur, und vielleicht auch etwas Geld für Länder und Kommunen, da wird ja wohl auch etwas für die Schulen zu holen sein? Bei genauerem Hinsehen wird schnell klar: Die Sondervermögen dienen einzig und allein dem Zweck, unsere Gesellschaft „kriegstüchtig“ zu machen. Auch die Infrastrukturmilliarden sollen „komplementär“ zu den horrenden Summen für Militär und Rüstung „investiert“ werden. Vielleicht fällt da für die ein oder andere Schule noch ein Beamer ab, damit die Jugendoffiziere ihre Werbefilme zeigen können. Eine bessere Bildungsfinanzierung im Sinne der Schüler und Lehrer darf man sich davon nicht versprechen.

Das Gegenteil ist der Fall. Die geplanten Ausgaben für Militär und Rüstung in einer Höhe von bis zu einer Billion Euro durch Sondervermögen und extrem hohe Schulden werden über kurz oder lang bezahlt werden müssen. Eine Bundesregierung, die plant, auf Dauer circa die Hälfte des Bundeshaushalts für Rüstung und Militär auszugeben, hat ihre Prioritäten klar gesetzt. Sie macht klar, wer diese Zeche zahlen soll: Die Jugend, deren Schulen und Freizeitangebote kaputt gespart werden, und die dafür auch noch durch die Wehrpflicht in der Armee ihr Leben riskieren sollen. Die Beschäftigten, denen immer mehr Druck gemacht werden soll, und die immer länger arbeiten sollen. Und am Ende wir alle, wenn die Gesellschaft weiter verarmt und eventuell einem nächsten großen Krieg ausgesetzt ist, während sich die Reichsten an Kriegen eine goldene Nase verdienen.

Es ist jetzt an der Zeit, ein Sondervermögen für Bildung und Soziales statt für Rüstung zu fordern! Es ist jetzt an der Zeit, Entlastung und Arbeitszeitverkürzung zu fordern, statt die Angriffe auf den Acht-Stunden-Tag hinzunehmen! Es ist jetzt an der Zeit, konsequente Demokratie- und Friedensbildung zu fordern, statt die Präsenz der Bundeswehr in unseren Schulen zu dulden.

Dazu brauchen wir breiteste Bündnisse. Keiner der Beschäftigten, Schüler und Studenten profitiert von der aktuellen Kriegstüchtigmachung der Gesellschaft. Die junge GEW konnte hier mit dem GegenWEHR-Kongress und dem Bündnis „Bildung rauf, Rüstung runter – für Friedensbildung statt Kriegstüchtigkeit“ erste Schritte gehen. Im Bündnis mit Lehrern, Schülern, Studenten, Gewerkschaftern und Akteuren aus der Friedensbewegung haben wir ein Zeichen gegen die Militarisierung der Schulen, gegen den aktuellen Sparkurs und gegen die aktuelle Aufrüstung gesetzt. Ähnliches konnten die Kollegen in München mit dem Bündnis „Soziales rauf, Rüstung runter“ realisieren.

Im Winter stehen die Tarifverhandlungen der Länder an, und schon jetzt wird klar: Hier wird uns nichts geschenkt. Geht es nach dem Arbeitgeber, haben wir sogar Verschlechterungen zu befürchten. Es wird unsere Aufgabe als Gewerkschafter sein, die Forderung nach mehr Geld für Bildung statt für Waffen in die Tarifkämpfe zu tragen, und es wird unsere Aufgabe als Friedensbewegung sein, den Zusammenhang zwischen der aktuellen Sparpolitik und der geplanten Aufrüstung in die Arbeitskämpfe hineinzutragen. Gehen wir es an, für eine friedliche und soziale Zukunft!

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