„Die Würfel sind gefallen.“ Mit diesen Worten kündigte ein Benjamin Netanjahu „nahestehender Offizieller“ am Montagabend die Eskalation des Völkermords an den Palästinenserinnen und Palästinensern an: „Wir beabsichtigen, den Gaza-Streifen vollständig zu besetzen.“
So hatte es das israelische Sicherheitskabinett am Montag beschlossen – gegen den ausdrücklichen Rat des Militärs. Nach Medienberichten will das Kabinett sich am Dienstag (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von UZ) offiziell auf eine entsprechende Strategie festlegen.
Nicht nur das Leben der Palästinenser spielt für Israels Politik keine Rolle – auch das Leben der in Gaza festgehaltenen Israelis soll der zionistischen Eroberungspolitik geopfert werden. „Wenn es dir nicht passt, solltest du zurücktreten“ – das war die Botschaft von Netanjahus Büro an den israelischen Generalstabschef, Eyal Zamir, der die Pläne kritisiert hatte, auch weil damit das Leben der in Gaza festgehaltenen Israelis gefährdet würde. Bis jetzt kontrolliert das israelische Militär 75 Prozent des Küstenstreifens.
Kritik gibt es nicht nur an den Plänen der Regierung Netanjahu zur Ausweitung der Besatzung Gazas. Bereits am Sonntag wandten sich über 600 ehemalige hohe Sicherheitsbeamte Israels, darunter Ex-Mossad-Chef Tamir Pardo, der frühere Schin-Bet-Chef Ami Ayalon sowie ehemalige Generäle und Polizisten, in einem offenen Brief an US-Präsident Donald Trump und forderten ihn auf, Netanjahu zu einem sofortigen Kriegsende zu zwingen. Sie betonten, dass die von Israel behaupteten Kriegsziele längst erreicht seien.
Rückendeckung enthielt die Regierung Netanjahu für ihre Besatzungspläne wie üblich aus den USA. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, erklärte mitten in den besetzten Gebieten, die Westbank müsse integraler Teil Israels bleiben.
Und die deutsche Politik? Beweist erneut, dass ihr Entsetzen über die Situation in Gaza nur geheuchelt und die Luftbrücke zur Lebensmittelversorgung eine reine Imagekampagne ist. Vor allem aber beweist sie, dass Nicaragua die Bundesrepublik zu Recht vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt hat. Denn Deutschland ist Komplize beim Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern, solange es der israelischen Mordmaschine weiterhin Rüstungsgüter liefert.
Das haben auch Künstlerinnen und Künstler in Deutschland erkannt. In einem offenen Brief an Friedrich Merz (CDU) forderten die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Musikerin Shirin David, die Schauspielerinnen Heike Makatsch und Christiane Paul, die Schauspieler Armin Rohde und Jürgen Vogel und 193 weiter Erstunterzeichnerinnen und -unterzzeichner den Bundeskanzler auf, sich nicht nur nachdrücklich für einen sofortigen Waffenstillstand und den Zugang humanitärer Hilfe zum Gaza-Streifen einzusetzen sowie die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel zu unterstützen, sondern „umgehend alle deutschen Waffenexporte an Israel“ zu stoppen.
Auch hierzu gab es keine Resonanz aus dem Bundeskanzleramt. Von den Wächtern der Staatsräson wie dem niedersächsischem Antisemitismusbeauftragten Gerhard Wegner, der sich vor Kurzem noch um eine Absage des Auftritts von US-Rapper Macklemore auf dem Deichbrand-Festival eingesetzt hatte, war bisher ebenfalls nichts zu hören. Vielleicht stellt er wacker „Expertenteams“ zusammen, die zukünftig auf deutschen Filmpremieren und in Fernsehstudios nach Antisemitismus suchen. Denn Kritik an Israel wird auch weiterhin als solcher diffamiert. Besonders in dem Land, das wie kaum ein zweites Beihilfe zum Völkermord leistet.