„Die EU steht für Ausbeutung“

Die DKP und die EU-Wahl 2019. Die UZ sprach mit Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP

UZ: Die DKP tritt zur Wahl des EU-Parlaments an. Was sind die Forderungen der Kommunistinnen und Kommunisten?

Patrik Köbele: Zuallererst werden wir einen
Friedenswahlkampf führen. Die EU ist nicht – wie es die Grünen gerade so
massiv propagieren – ein Friedensgarant, sondern sie steht im Gegenteil
für wachsende Kriegsgefahr in Europa. Es ist die von Deutschland
dominierte EU, die mit PESCO und im Schulterschluss mit der NATO gegen
Russland mobilisiert. Die Kriegsgefahr mit Europa als Kriegsschauplatz
ist riesig und die EU ist Mitverursacher dieser Zuspitzung. Der Putsch
in der Ukraine und die aktuell wieder brandgefährliche Situation sind
doch Ergebnisse des Versuchs, die Ukraine in die EU zu holen.
Die EU steht für Flucht und Vertreibung. Zum einen durch genau diese
Kriegspolitik zumeist im Bündnis mit der NATO. Aber auch, weil sie durch
ihre Wirtschafts- und sogenannte Freihandelspolitik Menschen in Afrika
und im Nahen Osten die sozialen Perspektiven nimmt und die Umwelt
zerstört. Neben dem Zugang zu Ressourcen und Rohstoffen geht es in
neokolonialer Manier auch um die optimale Verwertung von Arbeitskräften.
Die EU steht für Ausbeutung – nicht nur dort, wo sie Länder weltweit und
in der EU-Peripherie brutal ausblutet, sondern auch in diesem Land.
Flucht und Migration werden verursacht und Flüchtende und Migranten
werden bewusst instrumentalisiert, um die Konkurrenz innerhalb der
Arbeiterklasse zu verschärfen. Dafür steht doch Jens Spahns
Gesundheitspolitik, in der Pflegekräfte als Lohndrücker aus
EU-Peripherieländern angeworben werden sollen. Auch die Schuldenbremse
ist ein Instrument der EU, das in unserem Land die Kommunen ausblutet
und zu weiteren Privatisierungen führt.
Unter dem Strich heißt das für uns: Es gibt keinen Frieden mit der EU.
Sie ist ein imperialistisches Konstrukt, das nicht reformiert werden
kann, sondern überwunden werden muss.

UZ: Wie will die DKP in den Wahlkampf eingreifen?

Patrik Köbele: Wir erarbeiten gerade ein
Forderungsprogramm, das auf dem Sofortforderungsprogramm zur
Bundestagswahl 2017 basiert. Im Kern richtet es sich gegen die
Verursacher von Krieg, Flucht und Armut und stellt Forderungen auf, die
sich dann finanzieren lassen, wenn es an den Rüstungsetat und an das
Geld der Verursacher von Krieg, Flucht und Armut geht. Das würde die
Konkurrenz unter den Ausgebeuteten in Deutschland wie auch in der EU
entschärfen.
Im Wahlkampf wird auch der Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten“ eine große
Rolle spielen. Er richtet sich gegen die NATO-Vorgabe, die
Rüstungsausgaben auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen und
damit quasi zu verdoppeln. Dieser Aufruf trifft im Bereich Krieg und
Hochrüstung die Kernstrategien des deutschen Imperialismus und der EU
und setzt ihnen etwas entgegen. Er muss weiter verbreitet werden. Dazu
werden wir auch den Wahlkampf nutzen.

UZ: Wir erleben eine massive Rechtsentwicklung.
Geht es jetzt nicht darum, alle Linkskräfte zu sammeln? Warum kandidiert
die DKP eigenständig und ruft nicht zur Wahl der Partei Die Linke auf?


Patrik Köbele
: Ich habe ja eingangs unsere Inhalte genannt. Sie
unterscheiden sich von den Beschlüssen der Linkspartei. Auf ihrem
letzten Parteitag konnte sich die Partei Die Linke nicht zu einer
Position „Frieden mit Russland“ durchringen. Wir unterscheiden uns auch
in der Forderung „Raus aus der NATO“, in der Einschätzung der EU als
Kriegstreiber und Verursacher von Flucht und Migration. Wir
unterscheiden uns grundsätzlich in der Frage, ob wir die EU für
reformierbar halten. Wir halten die EU für ein Instrument des deutschen
Imperialismus zur Durchsetzung seiner Interessen. Wir sagen, sie muss im
Interesse der Völker – auch des deutschen Volkes – überwunden werden.
Wir halten hier eine klare Positionierung für notwendig. Wir dürfen die
berechtigte EU-Skepsis nicht den Rechten überlassen.
Mit unseren Sofortforderungen haben wir eine Chance, etwas im
Massenbewusstsein zu bewegen. Viele fallen auf nationalistische und
rassistische Parolen etwa von der AfD rein. Sie glauben mit Abwehr und
Ausgrenzung etwas für ihre Interessen tun zu können. Das ist ein
Irrglaube. Eine klare Analyse und Aufklärung über die wirklichen
Verursacher der Probleme in diesem Land kann dem etwas entgegensetzen.
Deshalb ist unsere Kandidatur auch eine Kandidatur gegen die
Rechtsentwicklung.

UZ: Seit 1979 gibt es das EU-Parlament. Bis
heute fehlen ihm maßgebliche Befugnisse selbst für ein bürgerliches
Parlament. Warum will die DKP in so ein Parlament?

Patrik Köbele: Im Parlamentarismus sind alle
Parlamente in unterschiedlicher Abstufung ein Stück weit
Scheinparlamente. Sie verschleiern die wahren Machtverhältnisse, die
Diktatur des Kapitals. Trotzdem wäre es Unsinn, wenn revolutionäre
Kräfte, wenn Kommunistinnen und Kommunisten, nicht erkennen, dass
Wahlkämpfe und auch Parlamente Formen sind, in die man den Klassenkampf
hineintragen muss.
Kommunistinnen und Kommunisten nutzen Parlamente, auch das EU-Parlament,
dazu, dass Menschen für ihre Interessen in Bewegung kommen. Das ist
doch der entscheidende Punkt, dass Menschen sich widersetzen. Wenn das
in den Hintergrund rücken würde, liefen wir Gefahr, vom Parlamentarismus
aufgefressen zu werden. Unsere wenigen kommunistischen Abgeordneten
zeigen, dass wir dieser Gefahr konsequent begegnen.

UZ: Die DKP braucht 4000 Unterschriften für den
Wahlantritt. Sie hat ein Zigfaches für die Bundestagswahl 2017 und die
Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten“ gesammelt. Also eine Sache aus dem
Handgelenk, oder wie siehst du das?

Patrik Köbele: Wir müssen spätestens Anfang März die
beglaubigten Unterschriften abgeben. Das ist ein relativ enger
Zeitraum. Zumal zwischen Weihnachten und Neujahr auch bei uns nicht viel
passiert und das Wetter Infostände nicht gerade erleichtert. Ich glaube
nicht, dass wir die Sammlung aus dem Handgelenk schütteln werden, aber
das wollen wir ja auch gar nicht. Wir wollen die Unterschriftensammlung
nutzen für Gespräche über unsere Inhalte, unsere Haltung zur EU, aber
auch über unsere Partei und ihre notwendige Stärkung.
Wir haben die Genossinnen und Genossen aufgerufen, noch in diesem Jahr
die Unterschriften der Mitglieder und des engen Umfelds einzusammeln.
Auch hier geht es uns um Gespräche zum Beispiel über die Arbeit und
Unterstützung der Partei und des Wahlkampfes. Bis zum
Luxemburg-Liebknecht-Wochenende im Januar wollen wir mindestens 2 500
beglaubigte Unterschriften haben.
Wir haben uns das Ziel gesetzt, insgesamt 6 000 Unterschriften zu
sammeln. Wir werden für die Unterschriftenaktion zügig ein Material
veröffentlichen, in dem wir aufzeigen, warum es notwendig ist, dass man
für die DKP unterschreibt und sie auch wählt, aber vor allem, warum es
notwendig ist, Widerstand von links gegen die EU zu entwickeln.

Erschienen in der UZ vom 30. November 2018

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