Offene Kriegsdrohung gegen Venezuela

Die Lunte brennt

US-Präsident Donald Trump droht Venezuela offen mit Krieg, um die Regierung von Präsident Nicolás Maduro zu stürzen. Am Wochenende bestätigte Trump, kürzlich mit Maduro telefoniert zu haben. Obwohl er das Gespräch – dessen Inhalt offiziell nicht bekannt gegeben wurde – nicht kommentierte, verbreiteten US-Medien Spekulationen über ein Ultimatum, mit dem Maduro zum Rücktritt gezwungen werden soll. Der Chef des Weißen Hauses selbst nährte die Gerüchte in gewohnter Drohgebärde. Militärschläge auf venezolanischem Territorium seien „sehr bald“ möglich, erklärte er. Parallel dazu treibt Washington die Gefahr einer offenen Konfrontation in dem ölreichen Land mit einer Serie neuer Eskalationsschritte weiter voran.

Als besonders brisant gilt die einseitige Ankündigung Trumps, der venezolanische Luftraum sei „geschlossen“. Caracas prangerte die Maßnahme als extraterritoriale Anmaßung an und als völkerrechtswidrigen Versuch, einem souveränen Staat die Kontrolle über seinen eigenen Himmel zu entziehen und internationale Flugbewegungen zu blockieren. Trumps Erklärung verstoße sowohl gegen das für alle Staaten verbindliche Chicagoer Abkommen von 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt als auch gegen die UN-Charta. Der Schritt folgte auf eine Warnung der US-Luftfahrtbehörde FAA vor angeblich „zunehmenden militärischen Aktivitäten“ in oder um Venezuela – ein Hinweis, der internationale Airlines faktisch zum Rückzug drängte. Mehrere große Gesellschaften stellten ihre Flüge ein, mit gravierenden Folgen: Dutzende Reisende strandeten etwa am Flughafen Madrid-Barajas und mussten dort teils tagelang ausharren. Caracas reagierte umgehend mit einem Notfallprogramm zur Rückholung der Betroffenen.

Beobachter verweisen darauf, dass derartige Schritte in der Vergangenheit häufig Vorstufen militärischer Interventionen bildeten. Die historischen Parallelen – von den US-Kriegsvorbereitungen gegen Irak und Libyen bis zur Invasion Panamas – liegen auf der Hand. Auch die venezolanische Regierung wertet Trumps einseitige Verkündung eines „geschlossenen Luftraums“ als kolonialistische Drohung nach bekanntem Muster und als mögliche Vorbereitung einer Invasion, begleitet von einer breit gestreuten Medienkampagne, die Venezuela gezielt als Sicherheitsrisiko für die Region darstelle.

Mehrere lateinamerikanische Regierungen betonen hingegen, dass die Gefahr für den Frieden in der Region nicht von Venezuela, sondern von der massiven Präsenz der US-Streitkräfte im Karibischen Raum ausgehe. Kuba prangerte „elektromagnetische Störaktionen“ an, die Teil einer gezielten Eskalation seien, und warf Washington eine „militärische Aggression“ sowie „psychologische Kriegführung“ vor. Auch in Brasília, Bogotá und Mexiko-Stadt wächst die Sorge. Südamerika sei „eine Zone des Friedens“, erinnerte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Kolumbiens Staatschef Gustavo Petro ging weiter und sprach von einer „exzessiven“ US-Militärpräsenz in der Karibik, die ein regionales Inferno auslösen könne. Mexiko fordert ein sofortiges Ende der Drohgebärden aus Washington und bekräftigt seine grundsätzliche Ablehnung jeglicher Interventionen.

Auch außerhalb Lateinamerikas formiert sich massiver Widerspruch. Der Iran verurteilte die jüngste US-Erklärung als „beispiellos gefährliche“ Bedrohung für den internationalen Luftverkehr. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sprach im Sicherheitsrat von „unverantwortlichem Druck“ und warnte Washington vor einem „irreparablen Fehler“. Die Volksrepublik China wies jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas entschieden zurück und forderte Respekt vor der staatlichen Souveränität. Im UN-Menschenrechtsrat prangerte eine Gruppe von 20 Staaten die unilateralen Zwangsmaßnahmen der USA an, die die ohnehin angespannte humanitäre Lage weiter verschärfen. Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, mahnte ein Ende der Eskalationspolitik und eine Rückkehr zu diplomatischen Lösungen an.

Militärexperten warnen derweil, ein Angriff der USA könne die gesamte Region ins Chaos stürzen. Eine militärische Auseinandersetzung in einem Land mit über 28 Millionen Einwohnern wäre ungleich folgenreicher als frühere Interventionen Washingtons. Zu erwarten wären eine neue Massenfluchtbewegung, der Zusammenbruch regionaler Versorgungsketten und eine weitere Zuspitzung globaler Konfliktlinien. Selbst in den USA hält sich die Begeisterung für ein Kriegsabenteuer in engen Grenzen: Laut einer aktuellen CBS-Umfrage lehnen rund 70 Prozent der US-Bürger eine militärische Intervention ab.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro bekräftigte wiederholt seine Bereitschaft zu Dialog und Verhandlungen, warnte jedoch zugleich in internationalen Foren wie der OPEC und der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) vor einer langfristig angelegten geopolitischen Strategie Washingtons, die auf die Kontrolle der venezolanischen Ressourcen ziele – vor allem der enormen Öl- und Gasvorkommen. Den von den USA propagierten Diskurs eines angeblichen „Anti-Drogen-Kampfes“ bezeichnet Caracas als durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Dass Trump ausgerechnet inmitten seiner jüngsten Drohungen den honduranischen Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández – eine Schlüsselfigur im zentralamerikanischen Drogennetzwerk – begnadigte, entlarvt die offizielle Rechtfertigung für den massiven US-Militäraufmarsch in der Region als Farce. Dennoch treibt Washington die Eskalation unvermindert voran. Die Gefahr wächst, dass der nächste Tweet aus dem Weißen Haus genügt, um den Funken in ein Pulverfass zu schleudern.

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"Die Lunte brennt", UZ vom 5. Dezember 2025



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