UZ-Serie „100 Jahre Sowjetunion“ – Teil 7

Die UdSSR von 1945 bis 1956

Mit diesem Beitrag setzen wir die Serie „100 Jahre Sowjetunion“ fort. In 14-tägigem Abstand führt uns der Autor durch die sieben Jahrzehnte währende Geschichte des ersten sozialistischen Staates. Heute geht es um die Jahre zwischen Kriegsende und dem XX. Parteitag der KPdSU. Teil 8 folgt in der Ausgabe vom 7. April 2023.

Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs musste die UdSSR unter schwierigen Bedingungen außerordentlich komplizierte Aufgaben lösen.

Im August 1945 beauftragten das ZK der KPdSU und die Regierung die Staatliche Plankommission, den vierten Fünfjahresplan zur Wiederherstellung und Weiterentwicklung der Volkswirtschaft auszuarbeiten.

Die durch die Faschisten angerichteten Schäden waren überall zu spüren. Gewaltige Gebiete, von der Westgrenze über Leningrad, Moskau und Stalingrad bis zum Nordkaukasus, lagen in Trümmern. Insgesamt 1.710 Städte und 70.000 Dörfer und Siedlungen mit ihren landwirtschaftlichen Kolchosen und Sowchosen waren zerstört, ebenso wie 32.000 Industriebetriebe und 65.000 Kilometer des Eisenbahnnetzes.

Mit ausländischer Hilfe konnte die UdSSR nicht rechnen. Sie musste sich ausschließlich auf die eigenen Kräfte und materiellen Ressourcen stützen.

Die Wiederherstellung und Weiterentwicklung der Industrie und Landwirtschaft brachten auch eine beträchtliche Erhöhung des kulturellen Niveaus und des materiellen Wohlstands im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten mit sich. Die Löhne wurden erhöht und die staatlichen Preise schrittweise gesenkt, die Gesundheitsversorgung konnte wiederhergestellt werden und die Bildungseinrichtungen arbeiteten wieder normal..

Der XIX. Parteitag der KPdSU (5. bis 14. Oktober 1952) beschloss ein neues Parteistatut. Darin wurden der Aufbau der kommunistischen Gesellschaft mit dem allmählichen Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus, die ständige Hebung des materiellen und kulturellen Niveaus der sowjetischen Gesellschaft und die Erziehung des Sowjetvolkes im Geiste des Internationalismus und der brüderlichen Beziehungen zu den Werktätigen aller Länder als Hauptaufgaben der Partei bezeichnet. Trotz aller vorher und nachher erzielten Erfolge erwies es sich allerdings, dass eine solche Aufgabenstellung nicht den tatsächlichen materiellen und geistigen Bedingungen und Möglichkeiten entsprach, über die die sowjetische Gesellschaft zum damaligen Zeitpunkt verfügte.

Bald nach dem XIX. Parteitag, am 5. März 1953, starb Josef Stalin. In einer gemeinsamen Sitzung des ZK der Partei, des Ministerrats und des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR wurde Nikita Chruschtschow mit der Führung der KPdSU beauftragt.

Das ZK stellte die Aufgabe, die führende Rolle der Partei in allen Bereichen des Staatsapparates zu festigen, die Prinzipien der kollektiven Führung strenger zu beachten und die Wachsamkeit der Sowjetbürger zu erhöhen.

Mit Stalins Tod begann eine erbittert geführte Auseinandersetzung um die Einschätzung der bisherigen Entwicklung, von Fehlern und Abweichungen und um die zukünftige politische Linie. Sie wurde nicht öffentlich und unter Einbeziehung auch der kommunistischen Weltbewegung geführt.

Viele Schritte der neuen Führung kamen für die Parteimitglieder in- und außerhalb der UdSSR sehr plötzlich. Einige Wenden erfolgten abrupt – etwa die Aussöhnung mit Jugoslawien, dessen Proklamierung eines eigenen Weges zum Sozialismus 1948 zum Bruch mit der kommunistischen Weltbewegung geführt hatte.

In der Sozialpolitik orientierte Chruschtschow auf die Erhöhung des Lebensstandards. Die ergriffenen Maßnahmen wirkten allerdings wenig durchdacht. Vielfach führten sie zu erheblichen Problemen, die die Wirtschaftskraft schwächten und so eher zur Senkung des Lebensstandards beitrugen.

Dennoch entwickelte sich die UdSSR in den Folgejahren: Eine Reihe großer Wasserkraftwerke und neue Werke der Eisen- und Stahlerzeugung wurden gebaut. Ältere Betriebe des Maschinenbaus und der chemischen Industrie sowie Erzbergwerke und Kohlegruben wurden modernisiert.

Der XX. Parteitag der KPdSU (14. bis 25. Februar 1956) stellte fest, dass diese Jahre eine Zeit des Kräftesammelns und des Aufschwungs waren. Die internationale Rolle und Stellung der UdSSR hätten an Bedeutung zugenommen.

Neue Akzente setzte der Parteitag hinsichtlich der Politik der friedlichen Koexistenz und der Beziehungen der UdSSR zu den sozialistischen Staaten – Fragen, die 1957 auch Gegenstand der Moskauer Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien waren.

Der Parteitag deckte in großer Offenheit neben anderen Fehlentwicklungen die ernsten Folgen und Mängel in der Arbeit auf, die durch den Kult um die Person Stalins hervorgerufen wurden. Gleichzeitig versäumte es die Parteiführung, ihren eigenen Anteil selbstkritisch zu beleuchten. Im Gegenteil: Chruschtschows „Geheimrede“, die weder kollektiv vorbereitet war noch zum üblichen Ablauf von Parteitagen passte, schob Stalin die alleinige Schuld zu. Delegierte und internationale Gäste durften sich während der Rede keine Notizen machen und wurden zur Verschwiegenheit verpflichtet; eine Diskussion gab es nicht. Anfang März wurden die Mitglieder der KPdSU mit Auszügen der Rede bekannt gemacht. Es gelang dem US-Geheimdienst CIA, in den Besitz des Originaltextes zu gelangen. Dieser spielte ihn der „New York Times“ zu, die ihn in Teilen veröffentlichte, was mit zur Anfachung der Unruhen in Ungarn und Polen im selben Jahr beitrug.

Das ZK der KPdSU fasste am 30. Juni 1956 den speziellen Beschluss „Über die Überwindung des Personenkults und seiner Folgen“. Darin hieß es: „Erörtert man diese Frage, so muss man sowohl die objektiven, konkreten historischen Bedingungen, unter denen der Aufbau des Sozialismus in der UdSSR vor sich ging, als auch gewisse subjektive Faktoren, die mit den persönlichen Eigenschaften Stalins zusammenhängen, in Betracht ziehen.“

Es wurde zugleich darauf verwiesen, dass die gesamte Tätigkeit Stalins mit der Verwirklichung der großen sozialistischen Umwälzungen in der UdSSR verknüpft war. Es wurde auf die materiellen Schäden und auf die menschlichen Tragödien hingewiesen. Hervorgehoben wurde, dass der Personenkult dem wissenschaftlich-theoretischen Denken großen Schaden zugefügt habe.

So setzte der XX. Parteitag zwar neue Akzente, die Partei konnte die angerichtete nachwirkende Verwirrung aber nicht mehr einfangen.

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"Die UdSSR von 1945 bis 1956", UZ vom 24. März 2023



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