In Nürnberg sorgte linke Literatur für volle Säle

Dreierlei Messe

Raphael Fleischer

Verwundert stehen Literaturinteressierte vor dem Lageplan. Wohin muss ich gehen? Wie komme ich zu meinem Lieblingsverlag? Es war ein bisschen komplizierter als bei den 27 Auflagen der Linken Literaturmesse zuvor. Diesmal fand sie nämlich an drei Standorten im Herzen Nürnbergs statt. Was war da los? Hat die Messe einen neuen Rekord an Ausstellenden erlebt? Tatsächlich. So viele Verlage wie in diesem Jahr waren noch nie dabei. Es zeigt sich, trotz des Abgesangs auf den Buchdruck wagen es immer noch Menschen, einen Verlag zu gründen. Es wagen sogar einige einen linken Verlag zu gründen und davon gar nicht wenige sehnen sich nach Austausch unter Gleichgesinnten. Ob Killroy Verlag, Jacobin Verlag, Ceylan, das Netzwerk Ökosozialismus oder die lokale Initiative „Archiv der Arbeiter*innen und Gewerkschaftsbewegung“, einige Neulinge haben sich in der Verlagsgemeinschaft eingefunden. Natürlich neben den vielen alten Hasen wie der ComPress-Verlag mit der UZ oder der Verlag 8. Mai mit der „jungen Welt“. Allerdings hätten auch all diese immer noch gerade so in die alten Räumlichkeiten gepasst.

Der Grund für die Dreifaltigkeit der Messe lag aber in einer miserablen Planung der Stadt Nürnberg. Mitte Oktober bekam das Vorbereitungskollektiv der Messe mitgeteilt, dass die 800 Quadratmeter Messefläche in diesem Jahr baulich nicht mehr fertig würden. Mit der Linken Literaturmesse traf dieses Schicksal auch alle anderen Veranstaltungen in diesem Jahr gleichermaßen – was zu deren Ausfall führte. Drei Wochen vor Messebeginn wurden also Ausweichquartiere für die über 50 Verlage gesucht und tatsächlich, aufgeteilt an zwei Orten, gefunden.

Die Freude über eine Messe mit Verlagen währte nur kurz, denn natürlich war nun die Besorgnis überall groß: Läuft der linke Leser von den Veranstaltungen auch mal zu den Verlagen ein paar hundert Meter und kauft das Buch vor Ort statt dann später bei Amazon? Er und sie taten es und beglückten die Verlage mit guten Umsätzen und noch besserem Austausch. So war zumindest die einhellige Auswertung der Verlage.

Was haben nun all die Menschen verpasst, die es nicht zur Messe schafften?

Natürlich rund 60 Veranstaltungen in allen Farben des linken Spektrums. Das Eröffnungspodium, auf dem UZ-Redakteur und Parteivorstandsmitglied Björn Blach die Positionen der DKP vertrat, zog über 200 Interessierte an. Einig waren sich alle, es braucht einen linken Ausweg aus der multiplen Krise des Kapitalismus. Was die konkrete Ausgestaltung dessen angeht, waren die Meinungen natürlich divers.

Ansonsten zeigen die am stärksten besuchten Veranstaltungen der Messe, was das progressive Herz höherschlagen lässt. Fast hundert Menschen wollten mehr über den „Aufbruch in Jackson. Schwarze Selbstverwaltung und solidarische Ökonomie“ wissen. Vielleicht ist das auch einfach die Konsequenz aus den fehlenden Erfolgsgeschichten in Deutschland, den Blick dorthin zu wenden, wo linke Ansätze umgesetzt werden. Ganz nebenbei brachten rund 50 Kuba-Aktivisten den Kampf gegen die Blockade Kubas in die Nürnberger Innenstadt.

Die Fragen, die einem aus der täglichen oder wöchentlichen Zeitungslektüre aufkommen, füllten auch hier die Säle: „Wie tot ist die Linke“, fragte das „Neue Deutschland“, der VSA-Verlag legte eine Flugschrift zum Thema Frieden auf, die AG Feministischer Streik zeigte, wie eben das gelingen kann und auch die Ausführungen von Renate Koppe zur Lage im Donbass ließen die Interessierten in einem überfüllten Saal lauschen.

Das große Literaturfest ist gelungen – trotz alledem. Die linke Szene Nürnbergs war einmal wieder eine gute Gastgeberin für das bundesweite linke Spektrum.

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"Dreierlei Messe", UZ vom 10. November 2023



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