VR China investiert Milliarden in die Infrastruktur Lateinamerikas

Eine chinesische Bahn durch Brasilien

Von Lars Mörking

Premierminister Li Keqiang werde auf seiner einwöchigen Lateinamerika-Reise, bei der er neben Brasilien auch Peru, Kolumbien und Chile besuchte, „das Füllhorn chinesischer Investitionen ausschütten“, schrieb die „FAZ“. Li reise „mit Koffern voller Geld durch Lateinamerika“ steht bei „Telepolis“.

Dabei geht es vor allem um Investitionen in die Infrastruktur. Ein Großprojekt hat in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung: eine „Transozeanische Eisenbahn“ von insgesamt 5300 km soll den Atlantik-Hafen Porto do Açu (Brasilien) mit dem Pazifik-Hafen Puerto Ilo (Peru) verbinden. Ein Projekt, welches einerseits den Zugang brasilianischer Rohstoffe und Produkte zum asiatischen – und hier vor allem dem chinesischen – Markt erleichtern soll, andererseits aber auch zu einer regionalen Integration beiträgt, hier vor allem zwischen Brasilien, Bolivien und Peru.

Es ist das wichtigste, aber bei weitem nicht das einzige Vorhaben. Nach Angaben von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff unterschrieb Li Keqiang allein bei seinem Besuch ihres Landes 35 Verträge mit einem geplanten Investionsumfang von 53 Milliarden US-Dollar in den Bereichen Energie, Forschung und Raumfahrt.

Die geplante „Transozeanische Eisenbahn“

Die geplante „Transozeanische Eisenbahn“

Bereits im Januar verkündete Präsident Xi Jinping bei einem Treffen der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (Community of Latin American and Caribbean States, CELAC) in Peking, China werde in den nächsten zehn Jahren 250 Milliarden US-Dollar in die Region investieren. Zusätzlich wurde ökonomische Hilfe für Venezuela und Ecuador vereinbart. Venezuela hat bereits in der Vergangenheit umfangreiche Kooperationsverträge mit der VR China unterzeichnet und seit 2008 etwa 50 Milliarden US-Dollar an chinesischen Krediten erhalten, die mit der Lieferung von Rohstoffen beglichen werden. China wiederum, zweitgrößter Handelspartner Lateinamerikas nach den USA, hat die Direktinvestitionen in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht; 2014 lagen sie bei knapp 100 Milliarden US-Dollar.

Dabei hat es sowohl in Lateinamerika als auch in China in den letzten Jahren eine deutliche Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums gegeben. Während sich die VR schrittweise von einem auf Niedriglöhnen basierenden Wachstumsmodell verabschieden will, welches die ökologischen Folgen vernachlässigte, geht es in Lateinamerika – und hier besonders Venezuela – um den Abschied von der Rolle des Rohstofflieferanten (und nicht allein um den Austausch des bisherigen Hauptkunden USA).

Die Perspektive ist auf beiden Seiten formuliert worden: Lateinamerika will Produktionskapazitäten aufbauen und damit die „asymmetrischen“ Handelsbeziehungen ausbalancieren. Infrastrukturprojekte wie die „Transozeanische Eisenbahn“ sind dafür notwendig, begünstigen ohne staatlichen Eingriff aber zunächst einmal nur die vorhandenen wirtschaftlichen Strukturen. Eine Industrie in der Konkurrenz zu bereits bestehender Konkurrenz aus Asien erfolgreich aufzubauen, wird durch den leichteren Marktzugang dieser Waren nicht wahrscheinlicher – im Gegenteil.

Die Kooperationsprojekte zwischen der VR China und lateinamerikanischen Ländern sind deshalb darauf angelegt, strategische wichtige Bereiche bis hin zu Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu fördern. Die Diskussion darum, wie eine multipolare Weltwirtschaftsordnung durch Lateinamerika genutzt werden kann, wird in Lateinamerika und in der VR China derzeit rege geführt.

Der wirtschaftliche Aufstieg der VR China geschieht zunehmend in direkter Konkurrenz zu den USA. Die Finanzierung neuer Handelsrouten, die an den USA vorbeiführen, ist für Washington bedrohlicher als ein etwaiges militärisches Engagement Chinas im Südchinesischen Meer. Der schnelle Aufstieg Chinas zum wichtigsten Handelspartner Lateinamerikas ist nur noch eine Frage der Zeit. Die geplanten Infrastrukturprojekte manifestieren die Kontinuität dieser Entwicklung. Die dafür aus China mitgebrachten „Koffer voller Geld“ sind noch gefüllt mit Währungsreserven aus den seit Jahren und Jahrzehnten angehäuften Handelsüberschüssen Chinas mit den USA.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Eine chinesische Bahn durch Brasilien", UZ vom 5. Juni 2015



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