Lehrstück über Repression und Solidarität

Emiliano ist frei

Von Nicole Drücker

Vermehrt in den Fokus der Berichterstattung geraten die noch immer in Haft sitzenden ausländischen Angeklagten der G20-Prozesse. Die DKP Hamburg hatte zu einem dieser Gefangenen – Emiliano Puleo – in den vergangenen Wochen engen Kontakt. Das hatte einen Grund, Emiliano ist Genosse der Partito Rifondazione Comunista aus Sizilien.

Nach einem aufregenden Prozess­tag am 4.10.2017 wurde sein Urteil gesprochen: Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung und sofortige Freilassung aus der Untersuchungshaft.

Der Prozess selber war ein anschauliches Beispiel für die extralegalen Polizeimethoden (nicht nur) beim G20-Gipfel und die „Notstands“-Rechtsprechung der Klassenjustiz in dessen Nachgang. Im Gegensatz zu den Zeitungsberichten konnte tatsächlich keine Beweisführung für die Anklage gegen Emiliano erbracht werden. Der einzige Polizeizeuge verwickelte sich ständig in Widersprüche und die Videozeugnisse konnten beweisen, dass sich das Geschehen, auf das sich die Anklage stützte, im krassen Widerspruch zur Polizeiaussage darstellte. Somit blieb als einziges Beweismittel die Aussage eines zivilen Tatbeobachters einer BFE Einheit. Ganz grundsätzlich ist die rechtliche Grundlage dieser Beamten mehr als fragwürdig. Agieren sie doch wie verdeckte Ermittler, jedoch ohne die engen gesetzlichen Grenzen, die für diese im Einsatz gelten. Dies erscheint umso gravierender, als die Beteiligung an Straftaten fester Einsatzbestandteil dieser PolizistInnen ist. Ganz konkret fragwürdig ist z. B. die Tatsache, dass diese grotesk verkleideten speziellen Polizeizeugen im Prozess „aus taktischen Gründen“ nur eingeschränkte Aussagegenehmigung erhalten. Umso größer ist unser Respekt vor der politischen Erklärung des Genossen der PRC. „Ich möchte mich mit Stolz zu meiner politischen Einstellung bekennen- ich bin Antifaschist und Kommunist“ – so begann Emiliano seine Erklärung. Dem folgte für Richter, Staatsanwalt und das geneigte Publikum eine Lehrstunde über die Praxis einer kämpferischen Basis in bester Tradition der untergegangenen ehemals mächtigen PCI unter den Bedingungen einer sizilianischen Kleinstadt. Diese Erklärung war beeindruckend, auch für uns lehrreich und wichtig für die politische Prozessführung des Genossen. G20 hat Spuren hinterlassen, mit denen wir noch lange zu tun haben werden. Im bürgerlichem Denken verankerte Menschen verstehen die Wahl Hamburgs als Austragungsort des Gipfels höchstens so wie der Richter in Emilianos Verfahren, der in der Urteilsverkündung von „staatlich verordneter Selbstzerstörung“ Hamburgs sprach.

Uns dagegen ist klar, für interessierte Kräfte war G20 auch ein Experimentierfeld. Wie funktionieren verschiedene Institutionen unter simulierten bürgerkriegsähnlichen Ausnahmezuständen, wie reagieren Polizeibeamte nach 30 Stunden Schlafentzug, wie reagiert die Öffentlichkeit auf Grundrechtsentzug, wie auf Gerichtsurteile nach dem Feindstrafrecht. Kurz: Wie gut sind sie auf einen verschärften Klassenkampf vorbereitet und wie weit können sie gehen. Und für uns die Frage: Wie können wir wirkungsvoll mit unseren vorhandenen Mitteln handeln? Demnächst steht der Prozess gegen den 18-jährigen Fabio aus den Dolomiten an, ein Testballon an Unrechtsjustiz erster Güte. Auch dort wird die DKP Hamburg auf einer Kundgebung präsent sein.

Und ganz konkret: Es braucht Geld! Die vorzügliche politische Verteidigerin von Emiliano ist noch nicht bezahlt, ebenso wenig die Dolmetschenden für die Gespräche mit den Eltern, die Reisekosten von GenossInnen und Familie von Sizilien nach Hamburg sind explodiert. Wir sammeln daher Spenden um diese politische Prozessführung und Unterstützung von Emiliano zu unterstützen und eine Revision zu ermöglichen. Auf der Homepage der DKP Hamburg ist die Kontoverbindung für Spenden zu finden.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Emiliano ist frei", UZ vom 20. Oktober 2017



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit