Von der Leyen stellt Kommissionskandidaten vor

Europäischen Lebensstil sichern

Von Herbert Becker

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ihre Liste der Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommission, die ab November 2019 arbeiten sollen, nun öffentlich gemacht. Das hat sie natürlich nicht selbst getan, schließlich haben die Regierungen aller 27 Mitgliedstaaten – Britannien ist nicht mehr gefragt worden – ihre Vorschläge eingebracht. Von der Leyen formuliert im klassischen EU-Politikmarketing-Stil: „Ich wünsche mir auch, dass die Europäische Union die Hüterin des Multilateralismus ist, denn wir wissen, dass wir stärker sind, wenn wir das, was wir allein nicht schaffen können, gemeinsam tun.“ Dieser Maßgabe folgend, meinten von der Leyen und die sie stützenden politischen Kräfte, man müsse sich auf zwei Hauptaufgaben konzentrieren: auf den Klimawandel und die technologischen und demografischen Entwicklungen. Um das im Sinne der Herrschenden hinzubekommen, soll die EU führend sein bei der Anpassung der „einzigartigen sozialen Marktwirtschaft“ an die Veränderungen in der Weltwirtschaft. Dafür ist nach den Vorstellungen der ehemaligen deutschen Kriegsministerin die oberste Maxime: „Wir müssen unsere gemeinsamen Werte verteidigen und die Rechtsstaatlichkeit wahren.“

Konsequent daran ausgerichtet ist die Beschreibung der Aufgabenfelder für die neuen Kommissäre. Neben dem Üblichen, das die Mammutbehörde immer abdecken muss, fallen zwei neue Formulierungen auf: Die Tschechin Vera Jourová soll einem Bereich vorstehen, der den nichtssagenden, aber ekligen Titel tragen wird „Werte und Transparenz“. Sie soll wohl eng zusammenarbeiten mit der Französin Sylvie Goulard, die nicht nur für den Binnenmarkt zuständig sein soll, sondern die neu gebildete Generaldirektion „Verteidigungsindustrie und Raumfahrt“ leiten mag. Hier soll wohl intensiv daran gearbeitet werden, die „europäische Wertegemeinschaft“ so abzusichern, dass die weitere Militarisierung der EU-Staaten notwendig und ohne Alternativen sei. Ein auf den ersten Blick seltsamer Titel ist „Schützen, was Europa ausmacht“ („Protecting our European Way of Life“), hier soll der Grieche Margaritis Schinas die Vorgaben umsetzen. Hinter diesem Kommissions-Bereich wird die politische Praxis der EU versteckt, die die „Festung Europa“ weiter ausbauen soll, und der Frage nachgegangen, wie mit der nicht gewünschten Migration verfahren wird. Gegen die Benennung – nicht die dahinter stehende Praxis – laufen einige Abgeordnete Sturm, die Sozialdemokraten reichten bereits offiziell Beschwerde ein, die Linke teilte mit, sie sei „entsetzt, dass so die Gedankenwelt von Rechtsextremen in die neue Kommission einzieht“, die Grünen sehen in der Benennung eine „Beleidigung europäischer Werte“. „Diejenigen zu akzeptieren, die von weit entfernt kommen, ist Teil des europäischen Lebensstils“, sagte Hoch-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem TV-Sender Euronews. Die geplante Aufstockung der Flüchtlingsabwehrtruppe Frontex auf 10 000 Beamte zeigt, welcher „europäische Lebensstil“ hier verteidigt werden soll.

Für „Kultur“ ist wohl niemand zuständig. Mariya Gabriel (Bulgarien) ist bereits Mitglied der Europäischen Kommission unter Juncker. Sie betreute bisher alles, was sich unter dem Stichwort „Digitalisierung“ verstehen ließ, ihr neues Ressort wird bezeichnet mit dem nichtssagenden Titel „Innovation und Jugend“. Im Kleingedruckten wird bei der Aufzählung, was alles in diesem Bereich zu machen sei, auch der Begriff „Kultur“ aufgeführt. Eigentlich sollte man froh sein, dass Kultur nur als Randfeld angesehen wird. Bisherige Taten, gerne „Projekte“ genannt, wie die „Europäischen Kulturhauptstädte“ kosten nur und haben mit den Problemen in den ausgezeichneten Städten nichts zu tun.

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Über den Autor

Herbert Becker (Jahrgang 1949) hat sein ganzes Berufsleben in der Buchwirtschaft verbracht. Seit 2016 schreibt er für die UZ, seit 2017 ist es Redakteur für das Kulturressort.

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"Europäischen Lebensstil sichern", UZ vom 20. September 2019



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