Zum Leipziger „Lichtfest“: Bündnis wehrt sich gegen die Verleumdung der DDR

Friedensstaat verteidigen

Am 9. Oktober gehen Vertreter von DKP, Kommunistischer Organisation (KO) und der Friedensbewegung gegen die Diffamierung der DDR und die Grundsteinlegung für ein antikommunistisches Denkmal auf die Straße. UZ sprach mit Johannes Lemke (KO) über die Notwendigkeit, die Erinnerung an den Sozialismus in Deutschland zu verteidigen – gerade in Zeiten erneuter Hochrüstung.

UZ: Am 9. Oktober soll in Leipzig der Grundstein für ein „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ gelegt werden. Was hat es damit auf sich?

Johannes Lemke: Mit dem sogenannten Freiheits- und Einheitsdenkmal soll in Leipzig ein Ort der Erinnerung an die Zerstörung der DDR geschaffen werden. Beschlossen wurde dieses Denkmal bereits 2008 im Bundestag. Der Planungsprozess geriet lange ins Stocken und im Frühjahr 2025 wurde angekündigt, dass der Bau des Denkmals bald beginnen wird. Als Anlass wird das Leipziger Lichtfest genutzt, welches jährlich am 9. Oktober stattfindet und an die Montagsdemonstrationen in Leipzig 1989 erinnern soll. Ein riesiges Spektakel in der Stadt, das vor allem der Diffamierung der DDR dienen soll.

Bekanntlich schreiben die Sieger die Geschichte. Wir kennen die Darstellung der Konterrevolution in der DDR als „Friedliche Revolution“. Leipzig war eine bedeutende Stadt dieser Ereignisse – hier waren die sogenannten Montagsdemonstrationen besonders groß. Was dabei natürlich gerne weggelassen wird: Viele der Teilnehmenden der Demonstrationen standen zwar für Reformen ein, für eine Zerschlagung der DDR und die Einführung des Kapitalismus gingen die Leute größtenteils aber nicht auf die Straße. Dazu wurden die Proteste vom Westen aber natürlich instrumentalisiert. Als die Menschen das begriffen, da war das Volk schon nicht mehr an der Macht.

Heute wird Leipzig vor allem als „Stadt der Helden“ und „Stadt der Friedlichen Revolution“ verkauft. In der Innenstadt stehen überall Info-Tafeln zu diesen Ereignissen. Sogar an der Autobahnabfahrt wird mit einem Schild darauf hingewiesen. Außerdem gibt es das Zeitgeschichtliche Forum – ein kostenloses Museum, in dem die DDR mit dem deutschen Faschismus gleichgesetzt und die Befreiung von den „zwei deutschen Diktaturen“ durch die BRD gefeiert wird. Und natürlich das jährliche Lichtfest. Zum einen soll das der Bevölkerung zeigen, wie man die Geschichte zu interpretieren hat. Zum anderen sind das vor allem Werbeinitiativen, um Touristen nach Leipzig zu locken.

Wir lehnen diese Geschichtsfälschung und Diffamierung der DDR ab und folglich auch das Einheitsdenkmal, das genau dies verkörpern soll. Deshalb wollen wir dagegen protestieren und zeigen: Es gibt Menschen in diesem Land, die der antikommunistischen Propaganda nicht folgen.

UZ: Nach Angaben der Stadt Leipzig soll das Denkmal ermutigen, für die „Werte Demokratie, Freiheit und Zivilcourage einzustehen“. Was ist davon zu halten?

Johannes Lemke: Das sind nette Worte, aber zu halten ist davon nichts. Die BRD steht für etwas ganz anderes: Beteiligung am Völkermord in Palästina, Kriegsvorbereitung gegen Russland, Hetze gegen Migranten und Arbeitslose.

Die BRD annektierte Ostdeutschland und versprach „blühende Landschaften“. Viel gesehen haben wir hier davon nicht. Ganz im Gegenteil: Der Großteil der Betriebe, der Wohnungen, des Grundeigentums und so weiter wechselte für wenig Geld aus den Händen des Volkes in die Hände von westdeutschen Investoren – hauptsächlich Kapitalisten. Kurz darauf führte Deutschland wieder Krieg – in Jugoslawien, in Afghanistan und heute auch in der Ukraine. Die BRD bereitet sich auf einen großen Krieg gegen Russland vor. Dafür werden auch innenpolitisch die Daumenschrauben angezogen. Für Rüstung und Krieg werden schnell ein paar Sondervermögen über mehrere Hundert Milliarden Euro gezaubert. Dafür muss an allem Sozialen gestrichen werden. Das Bürgergeld soll reduziert beziehungsweise härtere Sanktionen eingeführt werden. Für Migranten gilt in manchen Gemeinden schon der Arbeitszwang. Im öffentlichen Dienst darf die Wochenarbeitszeit wieder bis zu 42 Stunden betragen. Bei jedem größeren Streik wird das deutsche Streikrecht im Bundestag in Frage gestellt. Sollte die BRD tatsächlich den Spannungsfall ausrufen, werden diese Maßnahmen auf noch viel größere Teile der Bevölkerung angewandt. Konkret in Leipzig sollen eine ganze Reihe Kitas geschlossen und Stellen für die Schulsozialarbeit gestrichen werden. Der Flughafen Leipzig/Halle ist schon längst ein wichtiges Logistikzentrum für die Bundeswehr und zukünftig soll er noch vergrößert werden.

Genau dafür steht die BRD und dafür steht auch dieses Denkmal. Aber Menschen fangen natürlich an, sich zu fragen: „Warum führen wir nochmal Krieg gegen Russland und was bringt mir das eigentlich? Warum beteiligt sich Deutschland an einem Genozid am palästinensischen Volk und warum muss ich dafür zahlen? Um dieses Morden zu finanzieren muss ich am Ende noch mehr arbeiten.“ Deshalb schauen sich viele nach gesellschaftlichen Alternativen um und stoßen so auf die DDR. Deshalb muss die BRD heute immer noch so viel Geld und Aufmerksamkeit in ihre Diffamierung stecken.

UZ: Die Herrschenden sprechen von Erinnerungskultur, meinen aber Propaganda. Woran sollte deiner Meinung nach heute mit Blick auf die DDR erinnert werden?

Johannes Lemke: In der DDR gab es keine Obdachlosigkeit, keine Armut und Verwahrlosung. Es gab eine Wirtschaft im Inte­resse des Volkes, es gab eine Industrialisierung des ganzen Landes und eine Demokratisierung der Gesellschaft insgesamt. Die DDR hat 40 Jahre lang den Frieden in Europa gesichert. Sie unterstützte international Befreiungsbewegungen und antikoloniale Kämpfe – zum Beispiel auch in Palästina. Das war genau das gegenteilige Inte­resse der Kapitalisten in Westdeutschland. Deshalb arbeitete die BRD auf die Zerstörung des Sozialismus in Ostdeutschland hin. Die DDR wurde schließlich auch zerschlagen. Aber ihre Errungenschaften und die Erfahrungen der Menschen bleiben.

Heute kämpfen wir wieder gegen die Kriegsvorbereitung gegen Russland, gegen den Genozid in Gaza, gegen Arbeitslosigkeit, gegen Hass und Hetze. Wir müssen die Frage stellen: Was ist das Inte­resse der BRD an dieser Entwicklung? Und warum war die DDR anders? In diesem Sinne sollten wir die Errungenschaften der DDR auch für unsere Kämpfe heute nutzen.

UZ: Ihr werdet am 9. Oktober gegen Geschichtsverdrehung auf die Straße gehen. Welche Botschaft wollt ihr transportieren?

Johannes Lemke: Wir werden mit Transparenten und Schildern zum Lichtfest und zur Grundsteinlegung des Einheitsdenkmals gehen. Neben dem Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und einigen anderen werden auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer anwesend sein. Wir wollen das Narrativ der BRD gegenüber der DDR angreifen. Wir wollen zeigen, dass es Widerstand gegen diese Geschichtsfälschung gibt und in wessen Inte­resse sie betrieben wird.

Ich glaube auch, dass es kein Zufall ist, dass der Bau des Denkmals jetzt nach so langer Zeit beginnen kann. Die deutsche Wirtschaft ist in der Krise und das Geld des Staates wird dringend für das Militär benötigt. Deshalb braucht man innenpolitisch eine Legitimierung des eigenen Staates – um die Heimatfront zu stabilisieren. Viele Menschen finden die Entwicklungen in Deutschland nicht richtig; viele sind gegen Waffenlieferungen an die Ukraine oder an Israel. Aber wenn sie das Einheitsdenkmal in Leipzig sehen, sollen sie denken: „Na, wenigstens leben wir nicht in der DDR.“ Und genau das müssen wir aufbrechen.

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"Friedensstaat verteidigen", UZ vom 10. Oktober 2025



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