DB Cargo: Einzelwagenverkehr vor dem Aus

Gefahr für Beschäftigte, Klima und Industrie

Die Deutsche Bahn AG steht mit ihrer Güterverkehrstochter DB Cargo vor einem massiven Umbruch. Interne Gutachten der Beratungsfirmen Oliver Wyman und SCI Verkehr sehen vor, den Einzelwagenverkehr (EV) um 60 bis 80 Prozent zu reduzieren oder gar ganz einzustellen. Dieser Teil des Güterverkehrs, bei dem einzelne Waggons bei verschiedenen Kunden abgeholt, in Rangierbahnhöfen zu Zügen zusammengestellt und in der Zielregion wieder verteilt werden, ist besonders personalintensiv und stark defizitär.

Nach Angaben der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hängen 4.000 bis 8.000 Arbeitsplätze direkt von dieser Sparte ab. Die Gewerkschaft warnt vor einem „Kahlschlag“, der nicht nur soziale, sondern auch gravierende ökologische und wirtschaftliche Folgen hätte. Der EV ersetze täglich rund 40.000 LKW-Fahrten und sei damit ein zentraler Bestandteil einer klimafreundlichen Verkehrswende. Sein Wegfall würde mehr Güterverkehr auf die ohnehin überlasteten Straßen verlagern und den CO₂-Ausstoß erhöhen.

Im Hintergrund macht die EU-Kommission Druck: Bis Ende 2026 muss DB Cargo profitabel arbeiten, da der Mutterkonzern die Verluste nicht mehr ausgleichen darf. Die Förderung des Einzelwagenverkehrs durch den Bund ist zwar vorgesehen, fällt jedoch unzureichend aus. Obwohl DB Cargo rund 90 Prozent des Marktes im EV bedient, erhält das Unternehmen nur etwa 60 Prozent der Fördermittel. Ungenutzte Fördergelder von Wettbewerbern fließen nicht automatisch zurück, um den Marktführer zu entlasten.

Aus Sicht der EVG ist dieses Fördersystem ein Beispiel für fehlende industrie- und verkehrspolitische Steuerung. Andere Länder wie die Schweiz oder Österreich haben den Einzelwagenverkehr längst als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge anerkannt und mit langfristiger Finanzierung abgesichert.

Kritik gibt es auch an der Unternehmensführung. So wurde die Einführung der längst verfügbaren Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) aus Kostengründen immer wieder verschoben. Deshalb ist für das manuelle Kuppeln weiterhin ein hoher Personalaufwand nötig. Zudem wurden strukturelle Defizite und jahrelange Fehlplanungen nicht konsequent behoben. Statt gezielt in Effizienz und Technik zu investieren, setzt der Vorstand auf Personalabbau und auf das Streichen ganzer Leistungsbereiche.

Der Einzelwagenverkehr sichert nicht nur Arbeitsplätze bei DB Cargo, sondern auch die Versorgung ganzer Branchen wie Stahl, Chemie oder Automobil. Viele Betriebe ohne große Umschlagterminals sind auf die flexible Zustellung durch Einzelwagen angewiesen. Ein Rückbau dieser Verkehre könnte Produktionsprozesse gefährden und die Abhängigkeit vom Straßengüterverkehr erhöhen.

Die EVG fordert, den Einzelwagenverkehr als gemeinnützige Leistung unter das Dach der DB-Infrastruktursparte InfraGO zu stellen. Damit entfiele die Pflicht, Gewinne zu erwirtschaften, und die Leistung könnte stärker aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Zusätzlich verlangt die EVG eine faire Verteilung der bestehenden Fördermittel, den zügigen Einsatz moderner Kupplungstechnologie sowie eine konsequente Einbindung der Betriebsräte in alle Strukturentscheidungen.

Aus gewerkschaftlicher Sicht ist der EV nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein zentraler Bestandteil einer klimafreundlichen und sicheren Güterversorgung. Sein Erhalt liegt im Interesse von Beschäftigten, Industrie und Gesellschaft gleichermaßen.

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"Gefahr für Beschäftigte, Klima und Industrie", UZ vom 15. August 2025



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