Rechtsstreit um Kufiya in Buchenwald

Gericht folgt Gedenkstätte

Weil ihr der Zugang zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald aufgrund ihrer Kufiya verwehrt wurde, hat Anna M., deutsche Kommunistin mit jüdischen Wurzeln, Klage eingereicht – und im Eilverfahren zunächst verloren.

Kufiya als „antisemitisches“ Symbol

Die ganze Affäre begann im August 2024 während des Thälmann-Gedenkens, als mehreren Personen wegen palästinensischer T-Shirts und Kufiyas zunächst der Zugang zum ehemaligen KZ-Gelände verwehrt wurde. Damals konnten sich die Betroffenen, darunter M., durchsetzen. Doch die Gedenkstätte rüstete nach: Zunächst in Form einer Verschärfung der Hausordnung, auf deren Grundlage unter anderem M. im April 2025 die Teilnahme am Buchenwald-Gedenken verweigert wurde.

Im Juli folgte dann eine Handreichung der Gedenkstätte, die selbst in der deutschen bürgerlichen Öffentlichkeit für Irritation sorgte. Darin werden nicht nur sämtliche palästinensischen Symbole, von der Wassermelone bis zur Kufiya, sondern auch Forderungen nach einem Waffenstillstand in Gaza oder die Begriffe „Genozid“ und „Apartheid“ als „antisemitisch“ und „israelfeindlich“ eingestuft. Außerdem werden BDS-Bewegung und mehrere linke Organisationen in der Handreichung genannt, darunter die Kommunistische Organisation (KO), in der auch M. organisiert ist. Letztere sei antisemitisch und „von Veranstaltungen der Gedenkstätte Buchenwald ausgeschlossen“. Dasselbe hatte der Leiter der Gedenkstätte, Jens-Christian Wagner, bereits im April dieses Jahres in einem Interview mit „jung & naiv“ öffentlich erklärt. Die „interne“ Handreichung wurde Berichten zufolge auch an Richter und Staatsanwälte geschickt.

Gericht folgt widersprüchlicher Argumentation

M. reichte noch im April Klage gegen das Hausverbot ein und kündigte zugleich an, Buchenwald auch in diesem Jahr anlässlich des Thälmann-Gedenkens besuchen zu wollen. Außerdem strengte sie ein Eilverfahren an. Das Gericht ließ sich dabei Zeit und riet M. schließlich, ihre Klage zurückzuziehen, da das Tragen der Kufiya „jedenfalls im aktuellen politischen Kontext als Ausdruck der Ausgrenzung von Jüdinnen und Juden verstanden werden“ könne und „keine Aussicht auf Erfolg“ bestehe. Statt klein bei zu geben, reagierten M. und ihr Anwalt mit einer ausführlichen Stellungnahme. Darin verwiesen sie unter anderem auf den Schwur von Buchenwald und erklärten: „Die Antragstellerin als Kommunistin und Nachkomme jüdischer Vorfahren sieht sich diesem Schwur verpflichtet.“

Am vergangenen Mittwoch urteilte das Verwaltungsgericht Weimar dann im Eilverfahren im Sinne der Gedenkstätte. Das Gericht behauptete, die Gedenkstätte habe nicht per se Menschen mit Kufiya Hausverbot erteilt, sondern es gehe um den Einzelfall M., die ja im Verfahren selbst erklärt habe, ein politisches Zeichen gegen den Genozid in Gaza setzen zu wollen. Angesichts der Handreichung, die die Kufiya als antisemitisches Symbol einstuft, ist diese Behauptung völlig haltlos. Das Gericht folgte dabei der Argumentation des Anwalt der Gedenkstätte, der behauptet hatte, die Handreichung entfalte „keine unmittelbare Bindungswirkung gegenüber der Antragstellerin“. Allerdings bezog sich derselbe Anwalt im selben Schreiben inhaltlich auf diese Handreichung, die „nachvollziehbar dargelegt“ habe, „dass das Tragen der Kufiya in der aktuellen Lage als politische Kundgabe verstanden werden kann, die geeignet ist, das Gedenken zu stören und die Opfer zu instrumentalisieren.“

Breite Berichterstattung, einseitige Resonanz

Wie so häufig bei Urteilen im Sinne der „Staatsräson“ berichteten zahlreiche Medien, die offenbar von der Gedenkstätte unterrichtet worden waren, unmittelbar nach der Urteilsverkündung. Die Argumentation von M. und ihrem Anwalt, die über Pressemitteilungen und das bundesweite Kufiya Netzwerk ebenfalls an die Öffentlichkeit getreten waren, wurde geflissentlich ignoriert. Bejubelt wurde das Urteil nicht nur, wie zu erwarten, von offen zionistischen Organisationen, sondern auch von der Vorsitzenden des Landesverbandes Thüringen der Partei „Die Linke“, Ulrike Grosse-Röthig, und von Ralph Hutschenreuther, dem justiz- und religionspolitischen Sprecher des BSW im Thüringer Landtag.

Anders als viele Berichte suggerieren, ist der Fall aber noch nicht am Ende. Im Gegenteil: „Der Kampf im Hauptverfahren geht weiter“, erklärt M. gegenüber UZ. „Dafür braucht es eine kritische Öffentlichkeit. Wie kann es sein, dass die Kufiya nach fast zwei Jahren Genozid in Gaza immer noch auf diese Art kriminalisiert wird? Die Haltung der Gedenkstätte muss als das benannt werden, was sie ist: ein Skandal!“

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