Stadt Frankfurt am Main scheitert mit Demo-Verbot. Zehntausende auf der Straße

Groß für Gaza

Am Ende hat all die Repression nichts gebracht: Nach einer Hetzkampagne, die unter anderem von der israelischen Botschaft mittels gefälschter Fotos befeuert wurde, hatte das Frankfurter Ordnungsamt die für Samstag angemeldete „United4Gaza“-Demo am Mittwoch vergangener Woche verboten. Die Begründungen waren allerdings so pauschal, dass wohl niemand ernsthaft damit rechnete, dass die Stadt damit durchkommen würde. Tatsächlich gewannen die Organisatoren in zwei aufeinanderfolgenden Instanzen im Eilverfahren. So konnte die Demonstration am Samstag wie geplant stattfinden. Vermutlich ging es den Behörden vor allem darum, die Mobilisierung zu behindern. Der Schuss könnte nach hinten losgegangen sein: Die Organisatoren bedankten sich bereits nach dem ersten Sieg vor Gericht bei der Stadt und den Medien augenzwinkernd „für die breite und kostenlose Mobilisierung“.

Statt der angemeldeten 5.000 Teilnehmer kamen nach Schätzungen etwa 20.000 bis 35.000 zusammen. Die bürgerliche Presse sprach fast durchweg von „nur“ 10.000. Die Menge zog vom Main bis zum Großmarkt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Neben dem harten Kern der seit 23 Monaten regelmäßig für ein Ende des Genozids Demonstrierenden – Palästina-Gruppen, die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, linke und kommunistische Organisationen – nahmen diesmal auch sichtbar Blöcke der Linkspartei teil, die für ihr langes Schweigen zum Genozid in der Kritik steht, der IG Metall, und eine kleine Gruppe von Mitarbeitern der in Frankfurt ansässigen Europäischen Zentralbank (EZB).

Trotz Gerichtsentscheid ließ sich die Polizei nicht davon abbringen, die Demonstranten zu schikanieren. Anfangs wurden Personen angehalten und angezeigt, die Fäuste in Palästina-Farben auf Fahnen oder T-Shirts trugen – und das, obwohl bereits mehrere Gerichte entschieden hatten, dass diese Symbole nichts mit der verbotenen „Samidoun-Faust“ zu tun haben. Dann wurde zwei Stunden lang verhindert, dass die Demo starten konnte. Die Teilnehmer mussten in der prallen Sonne stehen. Eine erste Person kollabierte, als der Marsch endlich beginnen durfte. Kurz vor Ende der Demo stürmten Beamte einen Lautsprecherwagen und nahmen den Redner Mahmud Abu Odeh fest. Die Polizei verhängte spontan per Auflage ein Redeverbot gegen ihn, erteilte einen Platzverweis und stellte Strafanzeige. Der Grund: Er hatte in einem Gedicht den Völkermord in Gaza als einen „Holocaust“ bezeichnet – ein international gängiger Begriff für Völkermorde.

Auch für die politisch gewollte Bedrohungskulisse war die Polizei zuständig. Ein Großaufgebot von 1.800 Einsatzkräften sollte sowohl die Teilnehmenden einschüchtern als auch ein Bild der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und insbesondere jüdischen Lebens durch die Demonstranten produzieren. So wurden nicht weniger als vier Wasserwerfer aufgefahren, unter anderem vor dem Alten Jüdischen Friedhof und dem Jüdischen Museum, an denen die Demo vorbeiführte. Die rechte Presse von FAZ bis „Bild“ griff diese Inszenierung begeistert auf, verbreitete einmal mehr Fake-News und behauptete, die Polizei habe jüdische Einrichtungen schützen „müssen“.

Alles vergebens: Tatsächlich legten sogar mehrere Palästinenser Blumen am Mahnmal für die jüdischen Opfer des deutschen Faschismus ab, was die Polizei zähneknirschend zulassen musste. Aus Fenstern, von Balkonen und vom Straßenrand jubelten Frankfurter und Touristen der Demonstration zu. Und sowohl vor als auch nach der Veranstaltung glich die gesamte Stadt mit den Massen an umherziehenden Menschen mit Kufiya und Palästina-Fahnen trotz martialischem Polizeiaufgebot eher einem palästinensischen Festival als einem „Gefahrengebiet“.

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