Betr.: Leserbrief von Klaus Mausner zur Griechenlanddebatte „Lehrstück und Praxistest“, UZ vom 24.7.2015, S. 15

Haben wir den Praxistest bestanden?

Von Dieter Keller, Fellbach

Vorneweg, das Ergebnis der Erpressung der Euro-Gruppe löst keines der tiefgehenden Probleme Griechenlands. Das Einknicken von Tsipras bedeutet eine durch nichts zu beschönigende Niederlage. Wenn schon „Lehrstück und Praxistest“ dann waren der Umgang, die Hetztiraden, der Rufmord gegen die vom griechischen Volk gewählte Regierung, die Erpressung ein Lehrstück, wie das Monopol- und Finanzkapital Europas, angeführt vom imperialistischen Deutschland, mit seinen Gegnern umgeht. Tsipras und Syriza waren von Anbeginn das Gift in ihrem Fleisch. Sie taten deshalb alles um „dieses Gift“ zu vernichten.

Herbert Mies hat in seinem beachtenswerten Beitrag zum VII. Weltkongress in der UZ vom 3. Juli vor „Schematismus“ in der Partei gewarnt. Diesen Schematismus sehe ich im Leserbrief von Klaus, wenn er formuliert „Tsipras macht inzwischen auf griechischen Schröder“. Warum? Es sind völlig unterschiedliche Ausgangspositionen. Schröder stand nicht unter dem Erpressungsdiktat der EU. Er war von der Agenda 2010 und den Hartz IV Gesetzen überzeugt. Aus dieser Überzeugung und im Interesse des deutschen Großkapitals hat er dies umgesetzt. Deutschland war und ist auch nicht das Armenhaus Europas. Im Gegenteil: Deutschland war und ist politisch, ökonomisch und militärisch das stärkste Land innerhalb der EU. Sie diktierten Europa die Austeritätspolitik, was insbesondere in Griechenland zu Massenarbeitslosigkeit, Massenelend und Entrechtung führte. Unterstützt von den Vorgängerregierungen von Syriza. Seine ökonomische und politische Macht nutzte das imperialistische Deutschland rigoros aus, um seine Vormachtstellung in Europa voranzutreiben und in Kolonialherrenmanier ein ganzes Volk zu strangulieren. Sicherlich gab es da auch Illusionen von Tsipras und Syriza in den Klassengegner.

Zum „Praxistest“ wäre zu fragen, haben wir, die DKP und die Linkskräfte, hier „unseren Praxistest“ bestanden? Ich denke: Nein! Wenn schon von Deutschland die größte Erpressung gegen die Syriza und das griechische Volk ausging, dann wären massenhafte Aktionen notwendig gewesen, um diesen Erpressern in „den Arm zu fallen“. Das wäre nicht nur „klassenmäßige Nüchternheit“ wie sie Klaus fordert, sondern eine klassenmäßige Position und internationale Solidarität mit dem griechischen Volk. Diese Aktionen blieben aber weitgehend aus. Deshalb konnte der Wortführer der Erpresser, Scharfrichter Schäuble, in Arbeitsteilung mit Merkel und ihren Auftraggebern weitgehend schalten und walten wie sie wollten.

Griechenland darf nicht zum Experimentierfeld einer beispiellosen Offensive des Kapitals gegen hart erkämpfte soziale und demokratische Rechte in Europa werden. Der „Hauptfeind“ steht im eigenen Land und nicht irgendwo in Europa oder Griechenland. Solidarität mit Griechenland heißt erstrangig und verstärkt den Kampf gegen Kapital und Kabinett in unserem Land zu führen. Unser Parteiprogramm ist dazu ein guter Kompass.

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"Haben wir den Praxistest bestanden?", UZ vom 7. August 2015



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