George Rashmawi auf dem Ostermarsch in Frankfurt am Main am 21. April

Israels Regierung will „Endlösung“

George Rashmawi

Wir dokumentieren die Rede von George Rashmawi, Sprecher der Palästinensischen Gemeinde Deutschlands, gehalten auf dem Ostermarsch in Frankfurt am Main am 21. April in voller Länge. Für bessere Lesbarkeit haben wir die Rede bearbeitet.

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Koalition der Friedenswilligen,

vielen Dank an die Friedenskooperative in Frankfurt, die mir die Gelegenheit gibt, bei diesem Ostermarsch eine kurze Rede über Palästina und vor allem den Krieg in Gaza zu halten.

Meine Rede wird sich auf drei elementare Punkte konzentrieren:

  • die katastrophale humanitäre Lage im Gaza-Streifen
  • die Lage in der Westbank
  • die Rolle des UN-Hilfswerks für die palästinensischen Flüchtlinge.

Die katastrophale humanitäre Lage im Gaza-Streifen

Am 19. Januar 2025 wurde ein provisorischer Waffenstillstand für den Gaza-Streifen vereinbart. Die USA, Katar und Ägypten waren die Garanten dieser Vereinbarung.

Diese Vereinbarung enthält drei Phasen. Die erste Phase dauerte 42 Tage an und endete am 2. März 2025.

Die Vereinbarung enthält folgende Punkte:

1. Die Freilassung der israelischen Geiseln und im Gegenzug die der palästinensischen Häftlinge, die in israelischen Gefängnissen inhaftiert sind. Deren Zahl beläuft sich auf rund 10.000 Personen.

2. Der Gaza-Streifen wird mit humanitärer Hilfe beliefert. Laut dem humanitären Protokoll in der Vereinbarung liegt der Fokus vor allem auf Trinkwasser, Treibstoff, Zelte, Nahrungsmittel und Medikamente. Wie so oft hält sich Israel nicht an diese Vereinbarungen. Die Mengen, die nach Gaza gebracht wurden, entsprachen nicht denen, die in dem besagten Protokoll festgehalten wurden. Seit mehr als 50 Tagen lässt Israel nichts nach Gaza rein. Laut UN-Welthungerhilfe sind zwei Millionen Menschen in Gaza vom Sterben durch Hunger bedroht.

3. Der Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gaza-Streifen. Lediglich der Grenzübergang Rafah und der in der Pufferzone im Norden Gazas sollten durch das israelische Militär kontrolliert werden.

In der zweiten Phase soll sich das israelische Militär komplett aus dem Gaza-Streifen zurückziehen und die Grenzübergänge den Verantwortlichen in Gaza überlassen. Die palästinensischen Widerstandsgruppen haben den Versuch Israels, den provisorischen Waffenstillstand zu kippen beziehungsweise zu ändern, abgelehnt.

Ab 18. März 2025 hat Israel seinen Vernichtungskrieg gegen das palästinensische Volk wieder aufgenommen und den verhandelten Waffenstillstand einseitig gebrochen.

Dabei verfolgt die rechtsextreme Regierung in Israel folgende politische und militärische Ziele:

  • Die Hamas zu entwaffnen beziehungsweise zu liquidieren.
  • Die Hamas darf weder in Gaza noch in der Westbank politischen Einfluss haben.
  • Die israelischen Geiseln durch militärischen Druck freizubekommen.
  • Die Vertreibung des palästinensischen Volkes aus dem Gaza-Streifen mit Ermutigung des US-Präsidenten Trump.
  • 30 Prozent Gazas sollen unter militärische Herrschaft der israelischen Armee.

Selbstverständlich ist das alles mit der neuen US-Administration um Trump bestens abgesprochen worden.

Die Lage in der Westbank

Israel unterzeichnete die provisorische Waffenstillstandsvereinbarung am 19. Januar 2025. Am selben Tag zogen mehrere israelische Militäreinheiten aus dem Gaza-Streifen in Richtung Westbank. Dort nahm die Zahl der Tötungen und Zerstörungen ziviler Infrastruktur rasant zu. Insbesondere der Norden hat viele Opfer zu beklagen. Die israelischen Verantwortlichen behaupten, „sie wollen die Zellen des Terrors auslöschen“.

Hierfür setzen sie zwei Brigaden mit circa 5.600 Soldaten ein. Sie sind selbstverständlich mit allen Arten von Artillerie ausgestattet. Dazu zählen Waffen, Panzer, Kampfdrohnen und D2-Bulldozer, um ganze Wohnkomplexe zerstören zu können.

Das rechtsextreme Kabinett rund um Netanjahu mit Politikern wie Smotrich und Ben Gvir sind der Meinung, die Zeit sei gekommen, um Gaza und die Westbank unter israelische Hoheit zu bringen. Diese Absicht hat sich seit Trumps Wahlerfolg in den USA verfestigt. Trump und Netanjahu haben zudem großes Interesse an dem Gas, welches vor der Küste Gazas in riesigen Mengen vorhanden ist.

Ihr Plan lautet: Enteignung und Annexion des palästinensischen Bodens in der Westbank und Völkermord und ethnische Säuberung im Gaza-Streifen. Es soll ein für alle Mal die „Endlösung“ des palästinensisch-israelischen Konfliktes herbeigeführt werden.

Ihre Politik beschränkt sich nicht auf die Tötung von Palästinensern, Zerstörung von Wohnvierteln und willkürlichen Verhaftungen von Menschen, sondern umfasst auch das Erschweren der Lebensumstände des palästinensischen Volkes in der Westbank.

Die Lage wird immer dramatischer:

  • Seit dem 07. Oktober 2023 dürfen rund 180.000 Arbeiter aus der Westbank nicht mehr nach Israel reisen, um dort zu arbeiten. Die Folgen sind Armut und Hoffnungslosigkeit.
  • Die Zahl der Checkpoints haben sich fast verdoppelt auf 887. Dazu kommen Hinrichtungen, Tötungen und Verhaftungen von Zivilisten, vor allem von Jugendlichen.
  • Zerstörung der Wasserversorgung, Infrastruktur, Stromnetze, Abwassersysteme und Straßen. Hinzu kommen militärische Angriffe, vorsätzliche Bombardierung und Zerstörung von Wohnhäusern.

Diese barbarischen Maßnahmen führten dazu, dass rund 45.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden sind, darunter 12.000 Kinder.

Die Rolle des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge

Ein Hauptpfeiler des Nahostkonfliktes ist das Rückkehrrecht palästinensischer Geflüchtete in ihre Heimat. Das wurde in der UN- Resolution 194 aus dem Jahr 1948 festgehalten. Das UN-Hilfswerk UNRWA wurde 1949 gegründet, um den palästinensischen Geflüchteten, die während der Nakba vertrieben wurden, humanitäre Hilfe zu leisten. Das UNRWA ist somit eine Art Zeuge der brutalen Vertreibung von 750.000 Palästinensern 1948 aus ihrer Heimat.

Israels Regierung denkt, es sei jetzt die Zeit gekommen, das Problem der palästinensischen Flüchtlinge endgültig zu lösen. Sie schloss das Head Office der UNRWA in Ost-Jerusalem am 1. Februar 2025. Trump unterstütze die Schließung und setzt jegliche Finanzierung an die Hilfsorganisation aus. Rund 6,5 Millionen Palästinenser erhalten seit jeher keine sozialen Hilfen mehr. Auch wurden alle UN-Schulen und -Kindergärten geschlossen. Was heißt, dass auch die Bildung nicht mehr gewährleistet werden kann.

Diese Entwicklung stellt, neben dem, was im Gaza-Streifen und der Westbank geschieht, eine dritte Katastrophe für das palästinensische Volk dar.

Diese unmenschlichen Zustände zielen alle darauf ab, die Entstehung eines palästinensischen Staates in den besetzten Gebieten von 1967 zu verhindern. Auch soll die Frage der palästinensischen Geflüchteten und ihr Recht auf Rückkehr unbeantwortet bleiben. Durch das Aussetzen von Zahlungen durch die USA und die Schließung wichtiger Hilfswerke wie der UNRWA wird den Palästinensern klar gemacht, dass man ihre Akte schließen möchte. Israel stellt sich nicht lediglich über das internationale Recht, sondern auch über geltende Menschenrechte und UN-Resolutionen, die das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates in den besetzten Gebieten von 1967 mit der Hauptstadt Jerusalem fordern.

Die Antwort des palästinensischen Volkes ist glasklar:

Wir werden Widerstand leisten! So lange, bis unsere nationalen Rechte, unsere Freiheit und unser Recht auf Selbstbestimmung gewährleistet werden.

Daher fordern wir:

  • Sofortiger Waffenstillstand als erster Schritt zur Beendigung des Völkermordes in Gaza
  • Stopp aller finanziellen und Waffenlieferungen von Deutschland nach Israel!
  • Anerkennung des Staates Palästina
  • Freiheit für Palästina!

Vielen Dank.

George Rashmawi ist Sprecher der Palästinensischen Gemeinde Deutschlands

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