Angehörige erinnern an rassistisch motivierte Morde von Hanau

Kein Vergessen

Knapp ein halbes Jahr nachdem der wahnhafte Rassist Tobias Rathjen am 19. Februar in Hanau Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtovi?, Said Nessar El Hachemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoglu und Vili Viorel Paun ermordet hat, wollte die von deren Angehörigen gegründete „Initiative 19. Februar“ unter dem Motto „Sechs Monate nach dem 19. Februar: Erinnerung – Gerechtigkeit – Aufklärung – Konsequenzen!“ eine Demonstration im Gedenken an die Opfer durchführen. Aufgrund ansteigender Infektionszahlen mit dem Covid-19-Virus im Raum Hanau wurden die Proteste jedoch von den Behörden untersagt.

Obwohl die Absage der Großdemonstration für deren Organisatorinnen und Organisatoren eine weitere Erniedrigung darstellte, beschlossen diese, die Verfügung der Behörden zu beachten. Stattfinden durfte eine kleine Kundgebung, an der sich bis zu 250 Menschen beteiligen durften. Hätte hingegen die Demonstration wie geplant stattfinden dürfen, wäre es eine Großmanifestation geworden. Migranten- und Flüchtlingsinitiativen, Gewerkschaftsgliederungen, linke Parteien und Jugendverbände hatten bundesweit zu den Protesten aufgerufen und bereits Busse gechartert. Weit mehr als 300.000 Menschen haben sich mittlerweile den ins Internet gestellten Livestream der Kundgebung angeschaut.

Protest gegen die Verfügung kam von der „Interventionistischen Linken Hannover“, die mit zwei Bussen nach Hanau kommen wollte. „Wir sind wütend, weil am 1. August Tausende Corona-Leugner in Berlin marschieren konnten. Die Polizei hat zugesehen und hat sie laufen lassen. Erst am Mittwoch wurde dann eine Gedenkdemonstration für Hanau in Hamburg verboten“, kritisierte der Zusammenschluss und führte daraufhin eine eigene Kundgebung in Hannover durch.

Auch der DIDF-Vorstand kritisierte, dass die Demonstration nicht wie ursprünglich geplant stattfinden durfte, akzeptierte die Entscheidung der Behörden jedoch ebenfalls. DIDF fordert die Aufklärung der Umstände der Hanauer Morde und weiterer Aktivitäten von Nazis und Rassisten – auch im Staatsapparat. „Die aktuellen Skandale um Todesdrohungen des NSU 2.0 mit Informationen aus hessischen Polizeicomputern zeigt, dass mörderischer Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus weiter zunehmen und von Polizisten und Behörden toleriert oder gar unterstützt werden. Wo auch immer, es waren keine Einzeltäter am Werk, sondern Mörder, die sich durch rassistische Hetze ermutigt und bestätigt fühlen. Wir werden uns weder einschüchtern lassen noch uns davon abhalten lassen, den gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung fortzuführen“, so die migrantische Selbstorganisation.

Bereits am Vorabend der Protestkundgebung, die am Samstag in Hanau stattfand, hatten in mehr als 30 bundesweiten Städten Kundgebungen und Mahnwachen gegen rechte Gewalt stattgefunden. In der vergangenen Woche hatte außerdem auch eine Delegation der DGB-Gewerkschaften in Südosthessen die Räume der von den Opferangehörigen gegründeten „Initiative 19. Februar“ besucht. „Als DGB-Gewerkschaften stehen wir nicht zuletzt in der historischen Pflicht, jedweder Form von Rassismus und Rechtsextremismus entschieden entgegenzutreten“, sagte DGB-Regionsgeschäftsführerin Tanja Weigand bei der Zusammenkunft.

Die DGB-Gewerkschaften sicherten den Angehörigen auch ihre Unterstützung bei der notwendigen Arbeit gegen Rassismus in den Betrieben und an Schulen zu. Als wichtiger Ort der Begegnung und zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Opfer unterstützten sie den Betrieb der Initiativen-Räume auch finanziell. Unter dem Motto „140 Quadratmeter in Hanau gegen das Vergessen“ werden Spenden zum Erhalt der unmittelbar an einem der Tatorte gelegenen Räume gesucht.

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"Kein Vergessen", UZ vom 28. August 2020



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