Ein Jahr nach dem Sturz von Baschir al-Assad feierten unzählige Menschen in Syrien. Viele haben die Hoffnung auf internationale Hilfe beim Wiederaufbau und die Aussicht darauf dürfte auch viele Unternehmen und Regierungen im Ausland bewegen. So ist der Übergangspräsident und frühere Dschihadist Ahmed al-Sharaa in Ost und West gern gesehen. Doch tatsächliche Finanzhilfe ist Mangelware. Eine Konferenz in Brüssel erbrachte im März Versprechen über 5,8 Milliarden Euro, einen Bruchteil dessen, was nötig ist. Die instabile Lage des Landes ließ womöglich viele Investoren zögern.
Noch immer kommt es zu sektiererischer Gewalt, wenn auch nicht mehr im Ausmaß wie bei den Gewaltausbrüchen im Frühjahr und Sommer. Zuletzt wurde in Homs ein Beduine erschlagen, seine Frau verbrannt. In der Folge gab es Angriffe auf Stadtteile, in denen überwiegend Alawiten leben.
Und nach wie vor besteht das große Problem zwischen den kurdischen Demokratischen Kräften Syriens (SDF) und der Regierung in Damaskus. Zwar gibt es seit März ein Abkommen, das die Übernahme der kurdischen Verwaltung in die Institutionen des Staates bis Ende des Jahres vorsieht. Doch umgesetzt wurde es bisher nicht. Weiterhin versuchen Vertreter der USA als Vermittler eine Lösung zu finden. Um den Druck auf die SDF zu erhöhen und die syrische Verhandlungsposition zu stärken, hat die Türkei mittlerweile nicht nur ihre Rhetorik, sondern auch ihre Truppen im Norden Syriens verstärkt.
Geschwächt ist dagegen die Position der SDF. Konnten sie sich bisher auf die Unterstützung der USA verlassen, wozu auch der gemeinsame „Kampf gegen den IS“ beitrug, haben die USA jetzt mit al-Sharaa und seiner Regierung einen neuen Favoriten gefunden. Ende November gab es einen gemeinsamen Angriff von syrischen Sicherheitskräften und US-Armee auf Ziele des IS. In offenbar enger Zusammenarbeit von Luftangriffen und Bodenoperationen wurden 15 Waffenlager des IS zerstört.
Auch nach dem Angriff auf US-Soldaten in Palmyra kam es zu enger Zusammenarbeit zwischen syrischen und US-Einheiten.
Nur die israelische Regierung – die jahrelang die Dschihadisten im Kampf gegen Assad unterstützt hatte – führt ihre Angriffe auf Syrien weiter. Mehr als 1.000 Luftangriffe und 400 Vorstöße am Boden zählt die syrische Regierung seit der Machtübernahme durch al-Sharaa vor einem Jahr.
„Krieg ist unvermeidbar“, erklärt mittlerweile der israelische Minister für die Diaspora, Amichai Chikli. Anlass war eine Militärparade in Damaskus, auf der Soldaten ein Lied zur Unterstützung für Gaza sangen. Das Lied wurde schon früher auf Militärparaden gesungen und wurde auch von Kämpfern der Hamas angestimmt.
Die USA versuchen auch zwischen Israel und Syrien zu vermitteln. Nach monatelangen Verhandlungen schien ein Dokument über die Abgrenzung gegenseitiger Sicherheitsinteressen bereits unterschriftsreif, doch zog offenbar Benjamin Netanjahu seine Einwilligung zurück. Wie schon seit dem Sturz von Assad fordert Israel eine Zone im Süden Syriens, die von Damaskus bis zum Berg Hermon reicht, in der keine schweren syrischen Waffen stationiert werden dürfen. Und vor allem: Es soll eine Flugverbotszone für syrische Flugzeuge und Drohnen gelten. Israel will sich einen Luftkorridor sichern, um mögliche Angriffe auf den Iran zu erleichtern.
Syrien – offenbar in der Hoffnung auf die Hilfe der USA – beharrt zurzeit auf dem Rückzug Israels aus allen seit Dezember besetzten Gebieten und der Gültigkeit des Waffenstillstandsabkommens von 1974.
Israels Außenminister Gideon Sa’ar stellt dazu fest, ein Sicherheitsabkommen mit Syrien sei heute weiter entfernt als zuvor.









