Als die Knesset im Oktober letzten Jahres die Tätigkeit des „Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten“ (UNRWA) in Israel verbot und jeden Kontakt mit ihm durch Vertreter des Staates untersagte, es gar als terroristische Organisation bezeichnete, machte sie humanitäre Hilfe selbst zur Waffe.
Wieder einmal gab es „unwiderlegbare Beweise“, so der damalige israelische Außenminister Israel Katz, dass die UNRWA-Organisation eine aktive Rolle am Geschehen des 7. Oktober gespielt habe. Und Boaz Bismuth vom Likud machte es sich ganz einfach und erklärte „UNRWA ist gleich Hamas.“
Diese Anklage reichte als Urteil. Staaten und internationale Institutionen sperrten die Gelder für die Organisation und stürzten sie damit nach Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit in eine tiefe Krise.
Eine Gruppe unabhängiger Experten untersuchte die israelischen Vorwürfe, UNRWA sei gleich Hamas, und kam zu einem klaren Urteil. Die UNRWA habe „robuste“ Mechanismen etabliert, um Neutralität – wie im humanitären Völkerrecht gefordert – in Konflikten sicherzustellen. Daraufhin gaben Staaten die Gelder für die Organisation wieder frei.
Die UN-Generalversammlung hatte 1949 die UNRWA gegründet, um die Folgen der Nakba, der Vertreibung der Palästinenser im Krieg während der Staatsgründung Israels, zu mildern. Heute hat die UNRWA 30.000 Mitarbeiter, die meisten Palästinenser. Dazu kommen einige internationale Fachleute.
Lange war UNRWA für die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen zuständig. Als die Blockade von Gaza mit der Eskalation von Hunger und Not selbst in Europa und den USA auf Widerstand stieß, ließ die israelische Regierung eine (zu) geringe Menge an Hilfsgütern nach Gaza – an UNRWA vorbei. Mit ihrer Politik des „kontrollierten Verhungerns“ wollte sie zwei Ziele zugleich erreichen. Die internationale Kritik und die damit verbundene Drohung, es könnte doch einmal internationale Maßnahmen gegen Israel geben, sollte reduziert werden. Und humanitäre Hilfe sollte – ohne Beteiligung der neutralen UNRWA – als Waffe eingesetzt werden.

So wurde die UNRWA mit ihrer langjährigen Erfahrung und einer Vielzahl von Versorgungspunkten dort, wohin die Bevölkerung vertrieben wurde, ersetzt durch eine obskure Organisation, die „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF). Ihre Geldgeber sind unbekannt, Neutralität, wie sie das Völkerrecht von Hilfsorganisationen und die westliche Wertegemeinschaft von UNRWA verlangt, ist hier nicht gefragt.
Angeblich soll sie humanitäre Hilfe leisten, doch ihr Konzept verrät von vornherein ihre wirkliche Aufgabe. Zwei Verteilpunkte – es sollen einmal vier werden – sind weit im Süden von Gaza gelegen und dienen dem Ziel israelischer Politik, die Einwohner vorerst aus dem Norden von Gaza zu vertreiben.
Die Zusammensetzung der Hilfspakete – es gibt zwar Öl und Mehl, aber in vielen Fällen offenbar keine Brennstoffe und kein Wasser – und die unmenschliche Art der Verteilung verraten nicht Unfähigkeit, sondern den Unwillen, eine Hungerkatastrophe zu verhindern.
Selbst für das Gründungsmitglied und früheren Vorstand von GHF Jake Wood war das zu viel. Er wollte nicht Teil von etwas sein, was zwangsweise die Palästinenser vertreiben soll, und trat von seinem Posten aus Protest zurück – zur „Enttäuschung“ von GHF.
Die israelische Armee setzt ihren Krieg gegen die Palästinenser auch bei dieser Gelegenheit fort. Bis zu 20 Fälle von Massenerschießungen wurden in den letzten 15 Monaten dokumentiert. Vom „Mehl-Massaker“ im Februar 2024, als 115 Palästinenser erschossen wurden, bis zum Massaker in Rafah vom vergangenen Wochenende mit mehr als 30 Toten und 200 Verletzten. Humanitäre Hilfe als Waffe.