Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz fragt: „Wer stoppt die Rechten?“

Krise der parlamentarischen Demokratie

Fast alle Plätze im Berliner Tempodrom, dem diesjährigen Veranstaltungsort der Rosa-Luxemburg-Konferenz, sind besetzt, als kurz vor 19 Uhr am 13. Januar die abschließende Podiumsdiskussion beginnt. Thema: „Wer stoppt die Rechten?“ „junge Welt“-Chefredakteur Stefan Huth hat die Journalistin Alev Bahadir (DIDF), Żaklin Nastić (Bundestagsabgeordnete, Bündnis Sahra Wagenknecht – BSW), Shabnam Shariatpanahi (DKP), Luca Stüven (Perspektive Kommunismus) und Gerd Wiegel (Leiter des Referats Demokratie, Migrations- und Antirassismuspolitik beim DGB-Bundesvorstand) zu Gast. Bei der Vorstellung von Żaklin Nastić gibt es Buhrufe.

Zunächst benennt Alev Bahadir die Hauptursache des rechten Aufstiegs: Das Kaputtsparen von Gesundheits- und Bildungswesen bei gleichzeitiger Aufrüstung schuf den Nährboden dafür. Wiegel analysiert: Die Entwicklung begann vor 20 bis 25 Jahren, als auch Sozialdemokraten und Gewerkschaften sich für Neoliberalismus erwärmten. Heute haben wir es mit „einer fundamentalen Krise der liberalen parlamentarischen Demokratie“ zu tun, die AfD hat in Teilen Ostdeutschlands die Hegemonie: „Ein Gewerkschaftssekretär, der zu einer Betriebsversammlung etwa bei Opel in Eisenach kommt, überlegt sich zweimal, ob er dieses Thema offensiv anspricht, weil er weiß, dass sich ein Großteil der Belegschaft sagt: Das ist meine Partei, über die du da sprichst.“

Żaklin Nastić erläutert die Gründe für ihren Austritt aus der Linkspartei: „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass die Friedensbewegung von Mitgliedern von ‚Die Linke‘ angegriffen wird.“ Woher soll eine Gegenkraft kommen? Shabnam Shariatpanahi berichtet aus Duisburg, wo „Tausende von Kindern keinen Schulplatz“ haben, von ihrer Erfahrung: Antifaschistische Bündnisarbeit muss mit sozialen Protesten verbunden werden, zum Beispiel im Bündnis Heizung, Brot und Frieden. Entscheidend sei, mit den Menschen in den armen Stadtteilen ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen: „Woher kommt die Not, wie können wir gemeinsam kämpfen? Gemeinsam: Migranten, Arbeiterinnen und Arbeiter aus EU-Ländern, von denen viele in Sub-Sub-Subunternehmen bei Thyssen arbeiten.“

Luca Stüven setzt die Priorität anders: „Es geht uns nicht nur darum, eine eigene linke Bewegung aufzubauen, sondern auch ganz konkret darum, die Konfrontation mit den Rechten zu suchen, sie in ihre Schranken zu weisen.“ Als „offensiver Selbstschutz“ muss der Handlungsspielraum der Rechten eingeschränkt werden.

Als Huth Żaklin Nastić fragt, ob BSW nicht mehr nach Fluchtursachen frage, sondern vor allem Schleuser bekämpfen wolle, antwortet sie nur auf Letzteres: Denen müsse das Handwerk gelegt werden. Shabnam Shariatpanahi hakt unter Beifall nach: Menschen, die flüchten, tun das nicht freiwillig. Und: „Flüchtlinge in ihrer großen Mehrheit gehören zur internationalen Arbeiterklasse.“ Nastić verweist auf ihre eigene Fluchtgeschichte und will die soziale Frage in den Vordergrund stellen, nicht die Herkunft: „Das ist ja der Kerngedanke des BSW.“

Verbot der AfD? Wiegel hält die Debatte für wichtig, beim Verbotsverfahren ist er skeptisch. Żaklin Nastić: Die AfD habe viel Kapital, da lasse sich schnell eine neue Partei gründen. Shabnam Shariatpanahi: Die Debatte kann der antifaschistischen Aufklärung dienen, ein Verbot sich aber auch gegen uns Linke richten. Alev Bahadir ergänzt: SPD und Grüne seien scheinheilig, sie haben den Nährboden für die AfD geschaffen. Luca Stüven: Da streiten sich Kapitalfraktionen. Daher: „Antifaschistische Strukturen sind die einzigen, die die Rechten wirklich zurückdrängen können.“

Klingt sehr absolut und die Probe aufs Exempel kann hoffentlich vermieden werden. Klar wurde: Die Rechten zu stoppen, gelingt nur durch Klassenkämpfe – und die fangen vor Ort an.

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"Krise der parlamentarischen Demokratie", UZ vom 19. Januar 2024



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