Insolvenzwelle belebt das Geschäft der Auskunftei

Krisengewinner Schufa

Noch streiten sich die Berliner Koalitionsparteien, ob die seit Beginn der Corona-Maßnahmen in Kraft getretene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nochmals verlängert wird oder nicht. Aber unabhängig vom Stichtag, an dem die Galgenfrist endet, wird über kurz oder lang die mit Strafrecht bewehrte Pflicht wieder über alle privaten Wirtschaftsunternehmen verhängt, sich beim Amtsgericht zu melden, wenn einer von drei sogenannten Insolvenzgründen vorliegt: Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit. Vor allem kleinere Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie und Kultur werden die Kurve aus der sogenannten Corona-Krise heraus nicht mehr schaffen.

Aus der CDU verstärken sich zur Zeit die Rufe, die „Rechte der Gläubiger“ zu schützen. Im herrschenden System der Marktkonkurrenz ist das sogar nachvollziehbar: Wer jemanden zum Beispiel eine Immobilie vermietet, will er wissen, wie sicher die Mieteinnahmen sind und ob er oder sie Gefahr läuft, Mietforderungen abschreiben zu müssen.

Weil die Angst vor dem Abschreiben von Forderungen eine der kapitalistischen Urängste überhaupt ist, floriert vor allem in Krisen wie jetzt die „Schufa“. Schon jetzt würden Wetten lohnen, dass 2021 für diese Aktiengesellschaft ein selten gutes Geschäftsjahr wird. Wer einen Kredit benötigt oder eine Wohnung mietet, wird sich in der Regel der Bedingung unterwerfen, eine Auskunft bei dieser Gesellschaft über sich selbst zuzulassen und ihr seine Daten zur Verfügung zu stellen.

Anders als manche glauben, ist die Schufa keineswegs amtlich oder halbamtlich. Sie wurde 1927 von zwei geschäftstüchtigen Brüdern in Berlin unter dem bezeichnenden Titel „Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung“ gegründet und hat sich inzwischen zu einer millionenschweren Wirtschaftsauskunftei mit fast tausend Mitarbeitern entwickelt. Die Aktien sind zu fast 90 Prozent in der Hand von Kreditinstituten, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Fast eine Milliarde Einzeldaten zu knapp 70 Millionen Privatpersonen und sechs Millionen Unternehmen sind in Wiesbaden – dem jetzigen Sitz der Gesellschaft – gespeichert. Jährlich werden über 150 Millionen Anfragen zur Kreditwürdigkeit bearbeitet.

Die üblichen Kartellrechtsbestimmungen gelten für diese Datenkrake nicht: Laut „Wikipedia“ hält die Schufa im Bereich Kreditwirtschaft, Telekommunikation, Forderungsmanagement und der gewerblichen Immobilienwirtschaft Marktanteile zwischen 80 und fast 100 Prozent.

Das ursprünglich als Bremse für die ungehemmte Datensammelei gedachte Recht jedes Bundesbürgers, dass nur mit seiner Zustimmung Daten über ihn oder sie gesammelt werden dürfen, ist nicht nur längst wirkungslos: Wer will schon riskieren, eine Wohnung nicht zu bekommen, wenn er seine Schufa-Registrierung verweigert? Das Recht haben die tüchtigen Schufa-Vorstände wie auch das Recht auf jederzeitige Übermittlung der gesammelten Daten vielmehr in ein neues Geschäftsmodell verwandelt: Alle Daten können jederzeit in einem Online-Portal mit dem schönen Titel „meineschufa.de“ abgerufen werden und im Premiumpaket – für schlappe 6,95 Euro monatlich – wird der potentielle Schuldner sofort informiert, wenn Abfragen von Vertragspartnern der Schufa erfolgen.

Schließlich bietet die AG ihren Vertragspartnern auch ein sogenanntes Scoring an, das einen Wahrscheinlichkeits-Schätzwert angeben soll, zu dem ein Kredit vom Schuldner bedient werden könnte. Bei der Frage, wie dieses Scoring ermittelt wird, verhält sich die Schufa ähnlich zugeknöpft wie früher ein Bäcker bei der Frage, was alles in seiner Rumkugel drin ist: Das sei Geschäftsgeheimnis. Der BGH hat sich dieser Rechtsauffassung 2014 angeschlossen.

Sicher ist also: Die Intransparenz wird bleiben, das Scoring wird bleiben – und das Geschäftsmodell der Schufa wird mit der anlaufenden Insolvenzwelle und dem damit einhergehenden Misstrauen aller Gläubiger des freien Westens einen weiteren Aufschwung erhalten.

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"Krisengewinner Schufa", UZ vom 7. Mai 2021



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