Zum Tod von Assata Shakur

Meistgesucht – aus Gründen

Assata war wegen eines Mordes verurteilt worden, den sie nicht begangen hatte. / Medizinische Beweise zeigten, dass sie die Waffe nicht abfeuern konnte. / Es ist Zeit für sie, die Sonne von der anderen Seite zu sehen. / Zeit für ihre Tochter, an der Seite ihrer Mutter zu sein. / Zeit für diese schöne Frau, wieder sanft zu werden. / Zeit für sie, zu atmen, ohne dass ihr gesagt wird, wie und wann. / Sie entwirrte die Ketten und entkam dem Schmerz. / Wie sie aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, könnte ich nie erklären. / Und bis heute versuchen sie, sie zu fassen / Aber sie ist frei mit politischem Asyl in Kuba.“

Als der US-Rapper Common 2011 bei einem Auftritt im Weißen Haus in Washington „A Song for Assata“ singt, ist der Skandal groß. Die Schmach, dass eine zu Unrecht verurteilte Schwarze aus dem Gefängnis geflohen ist, können die USA nicht ertragen. 2013 setzen US-Behörden sie als erste Frau auf die Liste der meistgesuchten Terroristen – mit zwei Millionen US-Dollar Kopfgeld. Doch gekriegt hat sie keiner. Am 25. September ist Assata Shakur als freie Frau im Exil in Havanna gestorben. Sie wurde 78 Jahre alt.

Geboren wurde sie am 16. Juli 1947 in New York City unter dem Namen Joanne Deborah Byron. Sie wächst auf in der Zeit der Rassentrennung. Der den USA immanente Rassismus erlebt eine Blütezeit, Afroamerikanern fehlt es an Jobs, gerechter Bezahlung, Wohnungen, Gerechtigkeit, Chancen – an allem. Byron wird politisch aktiv, legt ihren Sklavennamen ab und schließt sich den Black Panthers an. Von nun an heißt sie Assata Shakur.

In der Black Panther Party nahm Assata Shakur einen fast klassischen Weg: Agitationsarbeit an den Universitäten, in den Communities Arbeit mit Kindern, Frühstücksdienst, Zeitungserstellung und -verbreitung. Die Panthers und ihre Arbeit innerhalb der Freiräume, die ihnen das herrschende System zugestand, waren Assata Shakur bald nicht mehr genug. Nicht umsonst hatte sie sich den Namen Assata, „die Kämpfende“, gegeben. Sie schloss sich dem radikalsten Teil der Bürgerrechtsbewegung an, wurde Teil der Black Liberation Army.

Mit den Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung und ihrer Fähigkeit, sich mit anderen Ausgebeuteten zu verbinden (man denke an Fred Hamptons „Rainbow Coalition“) wuchsen auch die Repressionen – gerade im Angesicht des immer größer werdenden Protestes gegen den Vietnamkrieg.

Die Repressionsorgane der USA agierten brutal, skrupellos und ohne sich um Gesetze zu scheren. Falschaussagen, gefälschte Beweise und unbegründete Razzien waren an der Tagesordnung.

4107 Mugshot of Assata Shakur April 1971 - Meistgesucht – aus Gründen - Assata Shakur, Black Liberation Army, Black Panther Party, COINTELPRO, Joanne Deborah Byron, Kuba - Internationales
Polizeifoto von Assata Shakur aus dem Jahr 1971 (Foto: gemeinfrei)

Für den FBI-Chef J. Edgar Hoover waren die radikalen schwarzen Bürgerrechtler die „größte Bedrohung der inneren Sicherheit“. Er rückte ihnen mit dem Counterintelligence Program (COINTELPRO) auf den Leib, das von 1956 bis 1971 bestand. Es sollte als subversiv ausgemachte Gruppen systematisch überwachen und stören. Später stellte ein Untersuchungsausschuss des US-Senats fest, dass die Methoden von COINTELPRO mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft unvereinbar seien.

Doch bis dahin machten Hoover und sein FBI aus Aktionen und Demos „Aufstände“, aus Frühstücken für bedürftige Kinder „subversive Aktionen“ – und kamen damit durch. Schwarze waren in der US-Gesellschaft als Rädelsführer ausgemacht.

In dieser Situation hielt die Polizei am 2. Mai 1973 auf dem New Jersey Turnpike ein Auto mit einem angeblich kaputten Rücklicht an. Darin saßen Assata Shakur und zwei Genossen. Ein Genosse verliert sein Leben, der andere wird verhaftet. Auf die mit erhobenen Händen dastehende Assata Shakur wird mehrmals geschossen. Sie wird verhaftet, grausamer psychologischer Folter ausgesetzt und vor Gericht gestellt.

Während des Gerichtsverfahrens bringt sie ihre Tochter zur Welt. Bei sich behalten kann sie das Kind nicht. Sie wird zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Assata Shakur hat stets ihre Unschuld beteuert. Medizinische und forensische Gutachten, zum Beispiel über die Einschusswinkel, haben ihre Darstellung bestätigt. Den USA war das egal.

Assata Shakur sollte – wie unzählige andere – in einer Zelle verrotten dafür, dass sie für ein menschenwürdiges Leben kämpfte. Doch die Repressionsorgane hatten die Rechnung ohne Assatas Genossen gemacht.

Am 2. November 1979 sprengt ein bewaffnetes Kommando der Black Liberation Army die Mauern der Clinton Correctional Facility for Women, in der Assata einsitzt.Sie geht in den Untergrund, erst nach Pittsburgh, und als der Fahndungsdruck größer wird, auf die Bahamas. Schließlich erhält sie 1984 im sozialistischen Kuba Asyl.

Sie blieb Zeit ihres Lebens eine Kämpferin für die Freiheit, gegen die Ausbeutung, für die Geknechteten und Unterdrückten. Und sie blieb eine Mutmacherin. Denn eine Mauer, so schrieb sie in einem ihrer Gedichte, ist eben nur eine Mauer. „Sie kann niedergerissen werden.“

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"Meistgesucht – aus Gründen", UZ vom 10. Oktober 2025



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