Das Bosch-Werk in Waiblingen steht vor dem Aus. Unzählige Arbeitsplätze sind in Gefahr! Wir sagen: Nein zum Stellenabbau, nein zur Werksschließung! Die Entscheidung von Bosch betrifft uns alle – unsere Familien, unsere Region und die Zukunft des Rems-Murr-Kreises“, so heißt es auf einer Postkarte der Waiblinger Bosch-Kollegen an die Bürgerinnen und Bürger. Die Kollegen wollen nicht aufgeben und kämpfen deshalb weiter für den Erhalt des Bosch-Werks in Waiblingen. Für den 24. November rufen sie zu einer Demo auf. „Kommt mit uns auf die Straße – laut und solidarisch! Wir zählen auf euch“, heißt es in ihrem Aufruf. Genau das ist wichtig in dieser Situation – solidarisch kämpfen, einen breiteren Widerstand organisieren. Sonst schließen die Konzernherren Betrieb für Betrieb, verlagern ins billigere Ausland oder bluten die Standorte durch Personalabbau aus. In kleineren Städten kann auch die Stadtbevölkerung gut in den Kampf einbezogen werden, da ein Personalabbau oder die Schließung eines Werks unmittelbare Auswirkungen in Stadt und Region hat. Gewerbesteuereinnahmen fehlen für die kommunale Infrastruktur, Bäder oder Bibliotheken müssen geschlossen werden, der Umsatz im Einzelhandel oder in der Gastronomie geht zurück und so weiter. In vielen Regionen folgt auf die Werksschließungen der soziale Kahlschlag.
In den vergangenen Monaten gab es in verschiedenen Bosch-Werken immer wieder Proteste und Aktionen gegen den angekündigten Abbau von insgesamt 22.000 Arbeitsplätzen – wie zuletzt in Waiblingen am 1. und am 14. Oktober (UZ vom 24. Oktober). Auch in Schwieberdingen, einem Bosch-Entwicklungsstandort mit mehrheitlich Angestellten, gab es immer wieder Proteste und Mahnwachen. Ende Oktober haben Beschäftigte dort gegen den geplanten Stellenabbau mit Bengalos, Blutkonserven und Vampir protestiert – passend zu Halloween. Maskierte hängten ein Banner an der Bushaltestelle vor dem Bosch-Gelände auf. Darauf war ein provokantes Bild von Stefan Hartung, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH zu sehen, mit Vampirzähnen. Ihre Botschaft: „Haltestelle Zukunft. Nur für Lebende mit Herz. Wir lassen uns nicht aussaugen.“
„Jeder dritte Arbeitsplatz steht hier zur Debatte“, sagt Tobias Möhle, der Betriebsratsvorsitzende des Werkes. Bis zum Jahr 2030 sollen etwa 1.750 der rund 5.200 Arbeitsplätze gestrichen werden. Bei dem Protest gab es ein symbolisches Grab und Blutkonserven, auf denen Wörter wie Glaubwürdigkeit, Wertschätzung, Vertrauen oder Loyalität standen, die Werte symbolisieren, die in letzter Zeit begraben worden sind. Möhle berichtet, dass die Beschäftigten Angst haben und unter Druck gesetzt werden, zum Beispiel durch Vorladungen zu Gesprächen mit Vorgesetzten. Die Zahl der Kündigungen aufgrund von Fehlverhalten steigt. Wo es früher Abmahnungen gab, gibt es jetzt gleich die Kündigung. „Die Leute haben Angst, einen Fehler zu machen und ihren Job zu verlieren“, sagt Möhle. Bereits Anfang Dezember letzten Jahres gab es erste Proteste gegen den Abbau. Vor dem Werkstor protestierten tausend Beschäftigte – überwiegend Ingenieure und Software-Entwickler, die in der Regel eher schwierig für Aktionen zu gewinnen sind.
Auch in Schwäbisch Gmünd gab es im letzten Dezember bereits Proteste. Vor dem Werksgelände stellten Kolleginnen und Kollegen 100 Holzkreuze und Grablichter auf. Sie sollen mindestens drei Monate stehen bleiben, hieß es damals. Sie stehen bis heute – als Mahnmal, um jeden Tag daran zu erinnern, dass es hier um Existenzen geht, und um zu zeigen, dass sie ihre Arbeitsplätze definitiv nicht beerdigen wollen. Die aufgestellten Lichter sollen symbolisieren, dass dort, wo Schatten ist, auch Licht ist, und dass wir gemeinsam kämpfen müssen. Auch in Renningen gab es letzten Dezember Aktionen. Hunderte Beschäftigte protestierten während einer „aktiven Mittagspause“ vor dem Forschungszentrum – der erste Protest, der hier jemals stattgefunden hatte.
Im Mai protestierten dann Hunderte Boschler des Werkes in Leinfelden gegen den Stellenabbau und die Schließung der Elektrowerkzeugsparte Ende 2026 des vor 70 Jahren gegründeten Stammwerks. Es geht um 230 Arbeitsplätze. Dazu kommen aber noch 480 Arbeitsplätze, die bereits zuvor in den Bereichen Verwaltung, Entwicklung und Zentrale abgebaut wurden, also insgesamt um über 700. Die Produktion soll an kostengünstigere Standorte verlegt werden. Die Rede ist von Ungarn und China. Die Beschäftigten haben in den vergangenen Jahren für Rekordgewinne in dieser Sparte gesorgt. „Wenn jetzt die Rendite etwas geringer ausfällt, ist das kein Grund, sich von diesen Menschen abzuwenden“, sagte ein Redner bei der Kundgebung im Mai. Stattdessen habe man, so ein weiterer Redner, den Eindruck, man werde „scheibchenweise zerlegt“.
Nach dem großen bundesweiten Protesttag am 20. März 2024, an dem sich 25.000 Kolleginnen und Kollegen beteiligten, wurde durch diese kleineren Proteste Ende des Jahres 2024 und Mitte 2025 wieder etwas Druck auf den Vorstand aufgebaut. Dann war lange nichts zu hören. Jetzt wurden die Proteste von einzelnen Belegschaften wieder aufgenommen, insbesondere in Waiblingen und Schwieberdingen. In der Region Stuttgart wird zurzeit versucht, sich breiter zu vernetzen, um gemeinsame Proteste auf die Beine zu stellen. Vor allem in den kleineren Werken besteht Interesse an einer solchen Vernetzung. Ein erstes Treffen hat bereits stattgefunden, weitere sind in Planung.
„Nur gemeinsam sind wir stark – und nur gemeinsam können wir etwas bewegen. Lasst uns zeigen, dass wir uns nicht kampflos auf die Straße setzen lassen! Danke euch fürs Mitmachen, Weitersagen und Dabeisein“, heißt es in einem Schreiben des Waiblinger Betriebsrats an andere Bosch-Betriebe. Wichtig wäre, dass weitere Standorte aktiv und diese dann zu größeren Aktionen zusammengeführt werden. Es braucht dringend nachhaltigen gemeinsamen Widerstand auch unter Einbeziehung der größeren Werke, in denen es bis jetzt leider recht still ist.
Druck ist auch auf die IG Metall nötig. Von dort hört man nur so Sätze wie „Wir unterstützen die Belegschaften in den anstehenden Verhandlungen“ (Adrian Hermes, Konzernbeauftragter der IG Metall und Mitglied im Aufsichtsrat der Robert Bosch GmbH), oder an die Geschäftsleitung gerichtet: „Nehmen Sie Abstand von vorschnellen und kurzsichtigen Entscheidungen und setzen Sie sich mit Betriebsrat und IG Metall an einen Tisch (…). Konkret müssen alle Optionen zur Kostenoptimierung gleichberechtigt auf den Tisch.“ (Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg).
Mit Appellen und Verhandlungen ist es nicht getan. Das Kapital reagiert nur auf entsprechenden Druck durch die Belegschaften. Freiwillig werden sie nicht von ihrem Kahlschlag abrücken. Widerstand ist angesagt. Waiblingen macht es vor und geht am 24. November in die nächste Runde.



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