Am 20. November 1945 wurde der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof (IMG) eröffnet. Ankläger waren die vier Alliierten Sowjetunion, Frankreich, Britannien und die USA. Grundlage war das Viermächteabkommen und das Kontrollratsgesetz Nr. 10. Die Anklagen gegen die führenden Faschisten lauteten auf Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit. 19 der 24 Angeklagten wurden mit Urteilen vom 30. September/1. Oktober 1946 schuldig gesprochen. Zwölf wurden zum Tode, die übrigen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Das NSDAP-Führerkorps, die Gestapo, der SD und die SS wurden zu verbrecherischen Organisationen erklärt. Dieser Prozess war der erste und einzige der 13 Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse.
Der von den USA und Britannien begonnene Kalte Krieg gegen die Sowjetunion verhinderte die Fortsetzung der gemeinsamen Verfahren. Prozesse führten nun die Besatzungsmächte jeweils allein durch. Ihre Zahl wird auf mehrere Tausend geschätzt, mit über 50.000 Verurteilten.
Weitere Prozesse fanden unter anderem vor dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten 1946 bis 1948 in Japan statt. Anfang der 1950er Jahre übertrugen die Besatzungsmächte in Deutschland die Strafverfolgung den beiden deutschen Staaten. Diese waren nun gemäß Potsdamer Abkommen eigenverantwortlich für die Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechen. Die DDR begann konsequent mit der Umsetzung.
Die Bundesrepublik unter Adenauer betrachtete sich seit ihrer Gründung als Fortsetzung des Deutschen Reichs. Sie rüstete auf, erhob revanchistische Forderungen, und verhinderte mit Unterstützung der Westmächte ein einheitliches neutrales Deutschland. Für seine antikommunistische Politik brauchte es die „Fachkunde“ des Faschismus. Somit betrieb es die Entnazifizierung und Verfolgung nur halbherzig bis gar nicht. Massenmörder und Kriegsverbrecher bekleideten höchste staatliche Ämter. Das „Braunbuch“ der DDR entlarvt mit über 1.800 Fällen diese braune Politik. Den Zustand charakterisierte der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der mutig den Auschwitzprozess initiierte, treffend mit den Worten, dass er sich in einem „feindlichen Umfeld“ wähnte. Die DDR verfolgte die Täter bis zum Ende ihrer Existenz. Herausragend der Prozess gegen den abwesenden Kanzleramtsminister der BRD, Globke, ein Judenmörder. Allein die Zahl der Verurteilten in Ost und West belegt den Unterschied: Von der BRD wurden circa 7.000 Täter bestraft, in der DDR nahezu 13.000 – obwohl die Bevölkerung der DDR geringer und viele Täter in den Westen geflohen waren. Eine radikale Bewältigung des Faschismus hat die BRD nie betrieben. Das belegen auch westdeutsche Publizisten überzeugend – wie Lutz Lehmann oder Reinhard Opitz. nach 1990 Erich Köhler, Kurt Goldstein und andere. Selbst der 5. Strafsenat des BGH musste 1995 selbstkritisch zugeben, dass keine Richter und Staatsanwälte wegen ihrer Verbrechen im NS-Staat verurteilt wurden. Die Konsequenz von „Nürnberg“ war in der alten Bundesrepublik mit Unterstützung der Westmächte schnell Geschichte. Auch die inzwischen vom vereinten Deutschland geführten NS-Verfahren sind kein ernsthaftes Zeichen von Auseinandersetzung mit dem Faschismus. Die Haupttäter hatte man bis zum Lebensende mit juristischen Konstrukten wie dem der Verjährung geschützt und sogar mit hohen Pensionen belohnt.
Die aktuelle Kriegspropaganda und Kriegsvorbereitung gegen Russland ist das Gegenteil der Lehren aus „Nürnberg“. Auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag verkörpert nicht diesen Geist. Dann hätten schon lange Anklagen gegen westliche Spitzenpolitiker, auch US-Präsidenten, erhoben werden müssen wegen ihrer Menschenrechtsverbrechen in Vietnam, Irak, Libyen, Jugoslawien, Palästina … Deutschland selbst war und ist in solchen Verbrechen verstrickt.
Die DDR hat die Konsequenz des Nürnberger Prozesses in Politik und Rechtsprechung umgesetzt. Ihr ging es, wie in Nürnberg, um Gerechtigkeit: die Würde der Opfer und die Abrechnung mit den Tätern. Zur Verschleierung der eigenen Untätigkeit sind Antifaschismus und Verfolgung von NS-Tätern in der DDR bis heute Gegenstand perfider Geschichtsfälschung bundesdeutscher Politik.
Der Amsterdamer Professor Christiaan Frederik Rüter hat nach akribischer Untersuchung den Unterschied deutlich benannt: Nach seinem Urteil war die Rechtspraxis beider Staaten bestimmt vom „Unsere-Leute-Prinzip“. In der DDR waren „unsere Leute“ nicht die Nazis, sondern deren Opfer.



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