Schlussspurt im NRW-Kommunalwahlkampf: Bürgerliche Parteien wollen die Krise gestalten, Kommunisten den Krieg beenden

Nicht überall eine Wahl

Wer sich den Zustand der kommunalen Demokratie in Nordrhein-Westfalen (NRW) vor Augen führen möchte, der blicke nach Alfter. In der kleinen Gemeinde in der Nähe von Bonn scheiterte im vergangenen Jahr ein Bürgerbegehren zur Absetzung des Bürgermeisters. Rolf Schumacher (CDU) hatte seine Verwaltung vorschlagen lassen, den Grundsteuerhebesatz auf 1.500 Prozentpunkte zu erhöhen – eine erhebliche Verteuerung des Wohnens für Mieter und Eigentümer. Obwohl eine Bürgerinitiative mehr als 4.000 Unterschriften sammelte, um Schumacher aus dem Amt zu jagen, wurde das Bürgerbegehren für ungültig erklärt. Denn auf dem Unterschriftenformular stand der Satz: „Wir können noch etwas ändern.“ Eine rechtswidrige Behauptung, so die Stadtverwaltung – schließlich lasse sich die Grundsteuererhöhung nicht abwenden.

Krisenstimmung

Nicht nur in Alfter dürften sich die Menschen fragen, warum sie am 14. September überhaupt an den NRW-Kommunalwahlen teilnehmen sollen. Denn was in Alfter amtlich festgestellt wurde, trifft auch auf einen großen Teil der anderen Städte und Gemeinden im Land zu: An Kahlschlag, Sparzwang und Steuererhöhungen ändert der Wahlakt nichts. Wer es sich auf dem Chefsessel bequem macht? Vielerorts ist das nicht die entscheidende Frage.

Nach einer Umfrage der kommunalen Spitzenverbände bewerten 217 NRW-Kommunen ihre finanzielle Lage in den kommenden fünf Jahren als „Sehr schlecht“, 155 als „Schlecht“ und gerade einmal 20 blicken mit einem optimistischen „Mittel“ in die Zukunft. Im laufenden Jahr können nur noch 18 Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. 332 Städte und Gemeinden fahren ein Minus ein – der Rest steckt bereits in der Haushaltssicherung oder in Nothaushalten fest. Besser wird es nicht.

„Wir fahren auf Verschleiß, die letzten Rücklagen schmelzen dahin. Weitere Städte und Gemeinden werden in die Überschuldung rutschen. Die Lage ist dramatisch. Investitionen in Schulen, Kitas oder Verkehr, die wir so dringend brauchen, sind kaum noch möglich. Die Auswirkungen spüren die Menschen vor Ort, wenn an allem geknapst werden muss“, warnen Thomas Eiskirch, Vorsitzender des Städtetages NRW, und der Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christoph Landscheidt, in einer gemeinsamen Erklärung.

Wahlkampftheater

Viel zu gestalten gibt es in den kommenden Jahren also nicht. Das hindert den bürgerlichen Demokratiezirkus nicht daran, die Innenstädte mit mäßig interessanten Parolen zuzupflastern. Ausgerechnet der für seine rassistische Räumungspolitik in Marxloh bekannte Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) wirbt mit Slogans wie: „Glückliche Kindheit, beste Bildung. Hand drauf.“ Dass sein Ordnungsamt regelmäßig Familien aus ihren Wohnungen wirft, verrät die Kampagne nicht. In der Landeshauptstadt Düsseldorf will Amtsinhaber Stephan Keller (CDU) „Menschen verbinden“ und „Zukunft gestalten“. Widersacherin Clara Gerlach (Grüne) fordert hingegen „mehr grün, weniger grau“. Und in Gelsenkirchen will Andrea Henze (SPD) für „Sauberkeit, Sicherheit, Ordnung“ sorgen, um die Nachfolge der scheidenden Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) anzutreten. Einen breit diskutierten Höhepunkt des entpolitisierten Wahlkampfs lieferte die CDU Eschweiler, die als „Wahlkampfgeschenke“ scharfe Küchenmesser mit CDU-Aufdruck in Briefkästen steckte. Die Reaktionen reichten von Spott über die konservativen „Messermänner“ bis hin zu zornigen Beschwerden über die Partei, deren Innenminister Herbert Reul die (ohnehin nicht besonders durchdachte) Kampagne „#besserohnemesser“ gegen Messergewalt im öffentlichen Raum angestoßen hatte.

Mit Spannung erwarten viele Medien das Abschneiden von Linkspartei, BSW und AfD. Sowohl „Die Linke“ als auch die AfD hoffen darauf, dass sich der bundesweite Höhenflug auch in den schwer vorhersagbaren Kommunalwahlen niederschlägt. Für die AfD wird ein starkes Ergebnis im einst sozialdemokratisch dominierten Ruhrgebiet erwartet – obwohl sich die reaktionäre Rechtsaußenpartei im Wahlkampf heillos zerstritten präsentiert. Schon der Antritt zu den Wahlen war von internen Auseinandersetzungen geprägt. Im Juli wurde bekannt, dass der (inzwischen geschasste) Pressesprecher der Landespartei offenbar kompromittierendes Material über den Vize-Vorsitzenden Sven Tritschler sammeln ließ. Für das BSW, das gerade erst mit dem Aufbau von Kreisverbänden und kommunalen Strukturen begonnen hat, wird die Kommunalwahl zum ersten Stimmungstest nach dem knappen (und umstrittenen) Ausscheiden aus dem Bundestag.

Gegen Krieg und Kahlschlag

Während der Wahlkampf an den meisten Orten in gewohnter Bedeutungslosigkeit vor sich hinplätschert, treffen die Bürgerinnen und Bürger in einigen Kommunen tatsächlich auf politische Botschaften. „Bibliotheken statt Bunker und Raketen“, hat die DKP Essen vor der geschlossenen Stadtteilbibliothek in Stoppenberg plakatiert. Die Kommunisten kandidieren für den Essener Stadtrat und den Einzug in zwei Bezirksvertretungen.

Wo sie antritt, macht die DKP den Zusammenhang deutlich, den die bürgerlichen Parteien mit ihrem knallbunten Wohlfühl-Wahlkampf verschleiern: der Kahlschlag in den Kommunen wird massiv verschärft durch die Kriegs- und Hochrüstungspolitik der Bundesregierung. Nicht nur deswegen setzen die Kommunisten auch auf Forderungen, die nicht per Beschluss im Rathaus umgesetzt werden können, für die aber vor Ort gekämpft werden muss. So wird aus der Jagd nach Wählerstimmen eine politische Kampagne für Frieden – und bessere Lebensbedingungen vor Ort.

Dass sich dadurch auch neue Wege in der Zusammenarbeit ergeben, zeigen die positiven Erfahrungen, die die DKP in Dortmund und Essen durch ihre Zusammenarbeit mit der Palästina-solidarischen Bewegung gemacht haben. Die Forderungen nach einem Ende der Kriegspolitik und dem sofortigen Stopp des Genozids in Gaza verbinden sich im Kommunalwahlkampf mit den dringendsten Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung. Die DKP Dortmund kandidiert für die Bezirksvertretungen Nord und West: auf dem Programm stehen unter anderem der Kampf um den Erhalt der Schwimmbäder und bezahlbaren Wohnraum: „Geld für Soziales statt für Rüstung!“

Auch in Köln steht die DKP auf dem Wahlzettel: bei der Wahl zur Bezirksvertretung Köln-Mülheim. Zudem bewerben sich zwei Direktkandidaten um ein Stadtratsmandat. Den Wahlkampf begleitet die DKP Köln mit einem eigenen Wahlprogramm, überschrieben mit der Forderung „Butter statt Kanonen!“. Abgedeckt wird ein breites Themenspektrum von der Wohnungspolitik über Gesundheit, Bildung und Kultur bis hin zur kommunalen Finanzpolitik.

In Bottrop und Gladbeck kämpfen die Genossinnen und Genossen um den Wiedereinzug in die Räte. In vielen anderen Städten und Gemeinden kandidieren Kommunistinnen und Kommunisten auf gemeinsamen Listen, vor allem zusammen mit der Partei „Die Linke“.

Mehr über Wahlkampfaktivitäten der DKP gibt es im UZ-Blog.

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"Nicht überall eine Wahl", UZ vom 5. September 2025



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