Die EU, in der Deutsch gesprochen wird, geht zu Ende – der Ukraine-Krieg geht noch ein bisschen weiter

Noch zwei Jahre Krieg

Der EU-Gipfel war eine Niederlage sowohl für Bundeskanzler Friedrich Merz als auch für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Ära der EU, in der Deutsch gesprochen wird, dürfte damit zu Ende gehen.

Entlarvt wurde damit auch das Kanzler-Geschwurbel von einer angeblichen europäischen Sehnsucht nach deutscher Führung. Man muss die Geschichte des 20. Jahrhunderts komplett ausblenden, um auf solch eine irre Idee zu verfallen. Nun wurde auch für Merz offensichtlich, diese Sehnsucht besteht in der EU nicht. Gleich sieben Länder verweigerten sich der deutschen Vorgabe, man müsse das in der EU eingefrorene russische Vermögen entwenden, um es über bauernschlaue Buchungstricks der Ukraine zu übertragen. Aber auch dem Plan B einer gemeinsamen Kreditaufnahme zugunsten der Ukraine erteilten drei Länder eine Absage.

Friedrich Merz tut unterdessen das, was er am besten kann: Er täuscht die Wähler. Er dichtet seine Niederlage in einen Erfolg um und behauptet, den deutschen Haushalt würde die Entscheidung in keiner Weise belasten, weil am Ende Russland zahlen werde. Das allerdings ist nur unter der Bedingung einer Kapitulation Russlands zu erwarten. Der Sieger eines Krieges aber zahlt keine Reparationen.

Die Ukraine ist jedoch dabei, den Krieg zu verlieren. Die EU verliert obendrein den Handels- und Sanktionskrieg gegen Russland. Und seien wir ganz ehrlich, niemand auf dieser Welt jenseits der westeuropäischen Bubble hat ein Inte­resse daran, dass Westeuropa diesen Krieg gewinnt. Weder China noch Indien, nicht der globale Süden und selbst die USA nicht.

Ein Sieg der Westeuropäer würde die vom globalen Süden als ungerecht empfundene imperialistische und neokolonialistische „regelbasierte“ internationale Ordnung für weitere Dekaden zementieren. Niemand will das. Aus genau dem gleichen Grund, wie niemand will, dass Deutschland als wiedererstarkte Militärmacht eine Führungsrolle in Europa übernimmt.

Man einigte sich auf einen Kompromiss, der vor allem der Gesichtswahrung dient. Die EU nimmt Schulden auf, um mit 90 Milliarden Euro einen längst verlorenen Krieg noch ein bisschen zu verlängern und eine längst bankrotte Ukraine noch ein bisschen über Wasser zu halten, vor allem aber, um sich selbst Handlungsfähigkeit vorzutäuschen.

In einem geradezu bizarren Beitrag auf X behauptet Merz dagegen, die weitere Finanzierung der Ukraine diene dazu, den Krieg zu beenden. Er schrieb: „Wir wollen die russischen Vermögenswerte dafür nutzen, die ukrainische Armee für mindestens zwei weitere Jahre zu finanzieren. Wir wollen diesen Schritt nicht gehen, um den Krieg zu verlängern. Wir wollen ihn gehen, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.“ Zynischer geht es nicht. Zwei Jahre Krieg zu finanzieren ist das Gegenteil davon, ihn beenden zu wollen.

Nun leiht sich die EU 90 Milliarden Euro. Vor noch nicht allzu langer Zeit war Merz strikter Gegner gemeinsamer Schuldenaufnahme, jetzt fällt er um. Das Geld will die EU-Kommission als zinsloses Darlehen an die Ukraine weiterreichen. Sie bekommt es allerdings nicht zinslos, sondern muss dafür um die 4 Prozent Zinsen berappen. Das macht pro Jahr um die 3,6 Milliarden Schuldendienst, die von 27 minus 3 Staaten zu bezahlen sind. Auf Deutschland entfallen demnach 700 Millionen jährlich. Für einen Kredit, den die Ukraine nie zurückzahlen wird. Merz besitzt keinerlei wirtschaftliche Kompetenz.

Fakt ist, dass er den Deutschen eine schwere finanzielle, aber auch moralische Bürde aufbindet. Denn irgendwann, wenn der Rauch über dem Schlachtfeld verflogen und der Verstand zurückgekehrt ist, werden die Ukrainer anhand der Abläufe klar benennen können, wer den Krieg in die Länge gezogen hat und damit für den Tod einer ganzen Generation von Männern die Verantwortung trägt.

Übrigens, eine dritte, kostengünstigste Variante stand in Brüssel nicht zur Auswahl: Diplomatische Kontakte nach Russland aufzunehmen, um nun endlich selbst einen eigenen Beitrag zur Beilegung des Konflikts zu leisten. Wenigstens in dieser Hinsicht blieben sich die EU und Friedrich Merz treu.

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"Noch zwei Jahre Krieg", UZ vom 26. Dezember 2025



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