Ist das „normal“, wenn 75 Prozent der Altersrente für die Miete einer 40 Quadratmeter großen Wohnung draufgehen? Es ist jedenfalls kein extremes Beispiel, sondern trifft immer mehr Menschen im Alter.
Die durchschnittliche Altersrente von Frauen im Jahr 2023 betrug gerade einmal 929 Euro. In Ballungsräumen sind Kaltmieten von 500 Euro und mehr keine Seltenheit. Dazu kommen Nebenkosten, was in Summe 700 Euro und mehr bedeuten kann. Das wären drei Viertel der Altersrente. Bei mir sind es 85 Prozent der gesetzlichen Rente.
Die Wohnkosten fressen die Rente auf. „Man konnte mit 520 DDR-Mark besser leben als ich heute mit 1.200 Euro“, sagte mir eine Hochbetagte in Mecklenburg. Kein Wunder: Eine Zweizimmerwohnung kostete damals kaum mehr als 50 Mark Warmmiete.
Dass die Mieten viel schneller steigen als Löhne und Renten, ist keine neue Entwicklung. Im Zeitraum zwischen 2010 und 2024 kletterten sie bundesweit um etwa 64 Prozent. In Berlin sind die Neumieten heute doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Wer in der Hauptstadt eine Wohnung braucht, muss oft über Jahre in einer möblierten, zu kleinen und sehr teuren Wohnung ausharren. Es gibt so gut wie keine bezahlbaren Wohnungen auf dem Markt, weder mit noch ohne Wohnberechtigungsschein (WBS).
Wohngeld soll Abhilfe schaffen, für Erwerbstätige und Rentner. Dieser Zuschuss war ursprünglich für Notfälle gedacht und nicht als Regelfall. Mit der Einführung des Wohngeld Plus im Jahr 2023 hat sich die Zahl der Haushalte, die Wohngeld erhalten, verdoppelt. Für das laufende Jahr 2025 geht man von fast zwei Millionen Haushalten aus, die Wohngeld erhalten. Hier gelten strikte Einkommensgrenzen und maximale Wohnungsgrößen. Die großen Wohnungskonzerne können sich über diese Subvention ihrer Mietpreise freuen. Mieterinnen und Mieter, die diesen Zuschuss erhalten, haben davon selbst keinen Vorteil. Sie sind es aber, die jährlich Anträge stellen, ihre Konten offenlegen und Demütigungen ertragen müssen. Das Wohngeld geht letztlich an Vonovia und Co.
Als ich das letzte Mal einen Antrag auf Wohngeld stellte – es war 2023 nach der Gesetzesänderung –, passierte nichts. Trotz mehrfacher Nachfragen und Vorlage aller erforderlichen Unterlagen wurde mein Antrag ein Jahr lang nicht bearbeitet, weil das Amt mit der Antragsflut nicht fertig wurde. In der Zwischenzeit arbeitete ich dann aus Verzweiflung weiter, als Rentnerin mit damals 69, und verlor damit im Nachhinein meinen damaligen Anspruch.
„Wer als Rentner weniger als 1.000 Euro hat, sollte nicht Wohngeld beantragen, sondern Grundsicherung im Alter“, riet man mir. Das gehe schneller. So war es. Aber das Versprechen von Sicherheit und Würde bleibt dabei auf der Strecke. Wer als alter Mensch Grundsicherung im Alter erhält, fällt in dieselbe Schublade wie Bezieher von Bürgergeld (ehemals Hartz IV) samt fast aller bekannten Kontrollen und Schikanen.
Deutschlands BlackRock-Kanzler Friedrich Merz will Bedürftige und arme Rentnerinnen weiter quälen. Er kündigte an, die Kosten für Unterkunft und Heizung „deckeln“ zu wollen. Bislang werden beim Bürgergeld sowie der Altersgrundsicherung die tatsächlichen Miet- und Heizungskosten übernommen. Strom und Telekommunikation müssen bereits aus dem Regelsatz von 563 Euro berappt werden.
Wenn künftig nicht mehr die volle Miete übernommen wird, heißt das für die Betroffenen: Die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Zur Tafel zu gehen, die Altkleiderkammer oder subventionierte Seniorenmittagstische zu nutzen wird zur Normalität. Wer gesundheitlich dazu in der Lage ist, wird gezwungen, (schwarz) zu arbeiten oder im „bezahlten“ Ehrenamt. Im Extremfall droht der Verlust der Wohnung, was sowohl für die Betroffenen als auch für den Staat weitere Kosten verursacht.
Noch einmal Merz: „Pauschalieren ist möglich, geringere Sätze sind möglich.“ Dem entgegnet die Diakonie: „Die Kommunen sind nach dem Ordnungs- und Polizeirecht dazu verpflichtet, wohnungslose Menschen unterzubringen. Und diese Unterbringung ist meist deutlich teurer als die Übernahme der Mietkosten.“
Wer wirklich sparen will, muss bezahlbaren Wohnraum schaffen. Einige unserer europäischen Nachbarn zeigen, dass es möglich ist. So unterliegen in den Niederlanden 30 bis 40 Prozent aller Mietwohnungen strenger Preisbindung. In der österreichischen Hauptstadt Wien leben sogar fast zwei Drittel der Einwohner in gefördertem oder kommunalem Wohnraum.
In Deutschland verscherbelte die öffentliche Hand hunderttausende gemeinnütziger Wohnungen. Das rächt sich jetzt. Es ist höchste Zeit zur Umkehr. Das heißt: Ausbau nicht-profitorientierter Wohnungsangebote, altersgerecht und altersübergreifend. Zur Wahrung der Würde der Alten und der Jungen. Damit in Zukunft ein zehnjähriges Kind, gefragt nach seinem größten Wunsch, nicht mehr schreiben muss: „Ich wünsche mir mehr Altersheime.“ Dieses Kind wünscht sich seinen Opa herbei. Doch der findet keinen Platz in der Nähe des Wohnorts seines Enkels. Und wohnt deshalb weit entfernt.