Die Bahn kommt – nur nicht für alle. Für Reisende und Pendler gehören Zugausfälle, Verspätungen, steigende Preise und dreckige Waggons zum Alltag. Bahnbeschäftigte resignieren, weil die Abläufe für den Betrieb nicht mehr funktionieren und sie zum Prellbock für den Unmut der Reisenden werden. Gleichzeitig rollt die Bahn den roten Teppich für die Bundeswehr über das deutsche Schienennetz. Das noch vom alten Bundestag beschlossene Sondervermögen von 500 Milliarden Euro zur Modernisierung der Infrastruktur ist offiziell für Digitalisierung, Verkehr und Bildung vorgesehen. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Dieses Geld dient vor allem dem Kriegskurs der Regierungskoalition. Die Bahn wird fit gemacht für die NATO. Auch deshalb sind Reisende und Bahnbeschäftigte dem täglichen Stresstest ausgesetzt. Und die Gewerkschaften? Sie schweigen weitgehend – oder schauen weg.
Die Eisenbahn steckt in einer tiefen Krise: 64 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr, ein Investitionsstau von Jahrzehnten, unbesetzte Stellen in Werkstätten und Stellwerken. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) warnt aktuell vor Trassenpreissteigerungen und Fahrplankürzungen. Der DGB unterstützt zu Recht Forderungen für massive Investitionen in die Schiene. Doch beide versäumen es, auf einen entscheidenden Punkt hinzuweisen: Die Bundesregierung begründet die geplanten Investitionen explizit mit den Anforderungen des Militärs. Zitat aus der Gesetzesbegründung: „Die tatsächliche Fähigkeit, ein deutlich gesteigertes Verteidigungspotenzial auch zur Wirkung zu bringen, setzt die Verfügbarkeit einer ausgebauten, funktionstüchtigen und modernen Infrastruktur, zum Beispiel im Verkehrsbereich, voraus.“ Kurz: Ohne sanierte Brücken, modernisierte Bahnhöfe und leistungsfähige Korridore keine Panzerverlegung nach Osten. Ein Umstand, auf den vom Militär schon seit Jahren hingewiesen wird.
Tatsächlich laufen längst konkrete Vorbereitungen. Gesetze, Verordnungen und Verträge zwischen DB und Bundeswehr verpflichten die Bahn zur Bereitstellung von Trassen und Waggons für NATO-Truppenverlegungen. Die Bundeswehr genießt dabei Vorrang gegenüber zivilen Zügen. Schienenkorridore sind für militärische Transporte vorgesehen.
Diese Militarisierung ist kein Unfall, sondern Programm – eingebettet in EU-Strategien wie „Military Mobility“ und flankiert vom „Operationsplan Deutschland“, der die zivile Infrastruktur in Kriegslogistik umwandelt. Die seit einigen Jahren viel beschworene Umorientierung der Schieneninfrastruktur auf das „Gemeinwohl“ wird damit zur Farce. Es geht nicht um Einsichten in eine verkehrspolitische Notwendigkeit, sondern um einen Verschiebebahnhof von staatlichen Geldern in die Kassen der Monopole.
Doch wo bleibt der gewerkschaftliche Einspruch? Die EVG unterstützt das Sondervermögen lautstark – aber schweigt zu seiner militärischen Motivation. Auch der DGB fordert zwar eine Reform der Schuldenbremse, kritisiert jedoch nicht, dass Milliarden für den zivil-militärischen Umbau der Infrastruktur zweckentfremdet werden. Der Verteidigungsetat wächst und wächst, während für Personaloffensiven im Nahverkehr und bezahlbare Tickets angeblich kein Geld da ist. Die Gewerkschaften laufen damit Gefahr, Teil der Heimatfront zu werden, anstatt sie zu durchbrechen.
Dabei wären klare Forderungen überfällig: Nein zu militärischer Vorranglogistik. Ja zu einem zivilen, demokratisch kontrollierten Infrastrukturfonds für die Pendlerinnen und Pendler, nicht für Panzer. Nein zur Priorisierung von Kriegsvorbereitung unter dem Deckmantel der Modernisierung. Ja zu öffentlicher Bahn, guter Arbeit und klimagerechter Mobilität.
Die Bahn kann Symbol sein für eine gesellschaftliche Weichenstellung, für eine nachhaltige Verkehrspolitik. Mit dem eingeschlagenen Weg geht es weiter in Richtung der Herstellung von Kriegstüchtigkeit und der massiven Aufrüstung zu Lasten der Beschäftigten. Es braucht eine Umkehr der Gewerkschaften. Nur dann biegen wir ab, hin zu einem sozialen, friedlichen und gemeinnützigen Verkehrssystem. Es ist höchste Zeit.