Kritik am Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag wird weltweit geäußert. In Afrika ist sie Gemeinplatz und gehört selbst in bürgerlichen Kreisen zum guten Ton. Zu offensichtlich ist die Kluft zwischen dem Anspruch des IStGH, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord zu verfolgen, und dessen tatsächlichem Handeln. Kriegsverbrecher wie US-Präsident George W. Bush, der Irak und Afghanistan überfiel, wissen, dass sie sich für ihre Taten grundsätzlich nicht verantworten müssen. Der Internationale Strafgerichtshof verurteilt stattdessen ganz überwiegend Diktatoren aus afrikanischen Staaten, die dem Imperialismus nicht genehm sind – nach dem Motto „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“.
Burkina Faso, Mali und Niger – die Staaten, die sich im September 2023 zur Allianz der Sahel-Staaten (AES) zusammengeschlossen haben – benennen die Heuchelei jetzt ausdrücklich und ziehen die Konsequenz. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Übergangsregierungen der drei westafrikanischen Länder haben sie am 22. September bekanntgegeben, das Römische Statut aufzukündigen. Dieses Statut ist die vertragliche Grundlage des IStGH. Mali hatte es im Jahr 2000 ratifiziert, Niger 2002 und Burkina 2004.
Dieser Rückzug wird ein Jahr nach dem Eingang des Schreibens beim Generalsekretariat der UNO rechtskräftig. Die AES-Staaten entziehen sich damit der einseitigen, neokolonialen und rassistischen „Rechtsprechung“ des IStGH. Der sei, so begründen sie ihren Schritt, zu einem „Instrument der neokolonialen Repression in den Händen des Imperialismus“ geworden und stelle ein Beispiel für „selektive Gerechtigkeit“ dar. Eben jener „Gerechtigkeit“ also, die „Regelbasiertheit“ predigt, während sie auf das Völkerrecht spuckt.
Die Erklärung der AES-Staaten verweist auch auf die Kehrseite der Medaille, einseitig im Fokus dieses imperialistischen Instruments zu stehen: Angriffe gegen sie selbst werden grundsätzlich nicht geahndet. Ihr Schicksal wollen die drei Länder selbst in die Hand nehmen. Sie versprechen, die Einhaltung der Menschenrechte selbst zu kontrollieren und gegen jede Form der Straflosigkeit zu kämpfen. Einmal mehr stellen sich Burkina Faso, Mali und Niger an die Spitze der panafrikanischen Befreiungsbewegung.