„Werkverträge verbieten, Arbeitsvermittlung regulieren“ – mit dieser unmissverständlichen Forderung hat der Europäische Verband der Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Tourismusgewerkschaften (EFFAT) in der vergangenen Woche einen Richtlinienentwurf zum Verbot von Outsourcing in Kernbereichen von Unternehmen überall in Europa an die EU-Kommission überreicht.
Auch in Deutschland ist die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung völlig unreguliert, begründet die EFFAT-Mitgliedsgewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) die Forderung. Das führe dazu, dass angeworbene Kolleginnen und Kollegen aus anderen Staaten weiter „nach Strich und Faden ausgebeutet“ werden können. Insbesondere in der Fleischindustrie sei das der Fall. Hier träten viele der ehemaligen Subunternehmer heute als „Arbeitsvermittler“ auf, so die NGG.
Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen von meist osteuropäischen Arbeitsmigranten in der deutschen Fleischindustrie durch extrem niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten und die Missachtung elementarer Arbeitsschutzvorschriften geprägt. Grundlage für dieses Geschäftsmodell war lange Zeit ein undurchsichtiges System von Subunternehmensketten. Im Ergebnis waren über 50 Prozent der Beschäftigten in den Schlachthöfen und Fleischfabriken sogenannte Werkvertragsarbeitnehmer, die formalrechtlich nicht bei den eigentlichen Fleischunternehmen beschäftigt waren.
Erst nachdem im Jahr 2020 zahlreiche Covid-19-Ausbrüche in mehreren Fleischfabriken einer breiten Öffentlichkeit die skandalösen und prekären Arbeits- und Wohnbedingungen vieler dort Beschäftigter vor Augen geführt hatten, sah sich die Politik – nach Jahren des Wegsehens und Verweisens auf folgenlose Selbstverpflichtungen der Fleischindustrie – endlich dazu gezwungen, gesetzgeberisch zu handeln.
Daraufhin wurde das Arbeitsschutzkontrollgesetz auf den Weg gebracht. Es enthält neben einem Bündel von Maßnahmen eine zentrale Formulierung, gegen die die Fleischbarone während des Gesetzgebungsverfahrens Sturm liefen: „Kerntätigkeiten in der Fleischwirtschaft wie Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten dürfen ab 2021 nicht mehr von betriebsfremden Beschäftigten ausgeführt werden.“
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat die betriebliche Wirksamkeit des Gesetzes seit Mai 2022 in einer Studie untersucht, die in der vergangenen Woche vorgestellt wurde. Die gewerkschaftsnahe Stiftung kam zu dem Ergebnis, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes die schlimmsten Ausbeutungsformen tatsächlich beseitigt wurden und sich die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert haben. Undurchsichtige Subunternehmerketten konnten aufgelöst und klare Verantwortlichkeiten für die Beschäftigten bei den Fleischunternehmen hergestellt werden. Weitere positive Effekte hatten eine verpflichtende elektronische Arbeitszeiterfassung, eine deutliche Erhöhung der Kontrolldichte durch die Behörden sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeitsmigranten.
Die Fleischindustrie gehöre dennoch weiterhin zu den ausgeprägten Niedriglohnbranchen, so das WSI. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit erhielten im Jahr 2022 etwas weniger als die Hälfte (46,5 Prozent) aller Vollzeitbeschäftigten in der Fleischindustrie nur einen Niedriglohn. Die zentrale Ursache hierfür ist eine sehr fragmentierte Tariflandschaft mit gerade einmal 50 Haustarifverträgen. Der überwiegende Anteil der Fleischunternehmen befindet sich hingegen in einem tariflosen Zustand. Das Lohnniveau liegt deshalb nur knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn.
Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass ein Verbot von Werkverträgen zweifellos ein wirksamer Schritt wäre, um auch in anderen Branchen mit dauerhaft prekären Arbeitsbedingungen Verbesserungen anzustoßen. „Doch es ist eben nur ein erster Schritt, nicht die Lösung aller Probleme.“ Für eine nachhaltige Verbesserung wäre vor allem die Wiederherstellung branchenweiter Tarifvertragsstrukturen notwendig.