Großdemonstration gegen die neue Regierung in Wien

Solidarität statt Schwarz-Blau

Von Otto Bruckner, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreich

Am 13. Januar fand in Wien nach einigen kleineren Protestaktionen die erste größere Mobilisierung gegen die neue Rechtsregierung aus Konservativen (ÖVP) und rechten Demagogen (FPÖ) statt. Die Teilnehmerzahl wurde auf 50 000 bis 70 000 Menschen geschätzt und übertraf alle Erwartungen.

Diese Regierung ist nicht nur rechtsorientiert, sie ist auch eine „Reichenregierung“. Teils wurden Formulierungen der Industriellenvereinigung wortwörtlich ins Regierungsprogramm übernommen. Sie lieferte in nicht einmal einem Monat ihrer Amtszeit genug Anlass zu Protest. Die Flüchtlingspolitik wird verschärft, weitere Zuwanderung ist unerwünscht. Den bereits im Land befindlichen Flüchtlingen wird die staatliche Unterstützung auf ein Minimum zusammengestrichen und als semantische Draufgabe, wie die künftige Politik beschaffen sein soll, sprach Innenminister Kickl von der FPÖ davon, die Flüchtlinge in Großlagern zu „konzentrieren“. Eine Wortwahl, die Empörung auslöste.

Für die derzeit 167 000 Menschen in der staatlichen „Notstandshilfe“, einer Sozialleistung, auf die all jene Anspruch haben, die kein Arbeitslosengeld mehr beziehen können, soll eine österreichische Variante von Hartz IV verordnet werden – mit Zugriff auf Vermögen, Haus und Wohnung.

Das sind nur zwei Beispiele für eine Reihe von Maßnahmen, die Sozial- und Demokratieabbau, Rückschritte in der Bildungspolitik und Geschenke an die Reichen bedeuten. Nach der eindrucksvollen Demonstration vom 13. Januar wird die Regierung aber mit weiterem Widerstand gegen ihre Politik rechnen müssen. Die Demonstration selbst war ein deutliches Signal, wie breit der Widerstand schon ist. Zu den Organisatoren und Unterstützern der Demonstration zählten Bündnisse gegen Rechts, Flüchtlingsinitiativen und viele Organisationen aus dem linken Spektrum, so auch die Partei der Arbeit, die Kommunistische Jugend, der Kommunistische StudentInnenverband und die kämpferische Gewerkschaftsorganisation KOMintern, die gemeinsam mit Arbeiterorganisationen aus dem türkisch-kurdischen Bereich einen „internationalistischen Block“ bildeten. Das Bemerkenswerteste an dieser wirklich großen und eindrucksvollen Demonstration war die überwiegende Mehrzahl unorganisierter, vor allem junger Menschen und Eigeninitiativen etwa von Eltern, Schülern und Lehrern gegen die reaktionären Vorhaben im Bildungsbereich. So viele Menschen, die es für notwendig und richtig befunden haben, gegen diese Regierung auf die Straße zu gehen, sollte niemand für sich reklamieren. Sie wären vermutlich gekommen, ganz egal wer jetzt zu dieser Demonstration aufruft. Das ist eine völlig neue Qualität des Protestes.

Wichtig ist aber auch, zu sehen, wer sich an der Großdemonstration nicht beteiligt hat. Obwohl seitens der SPÖ-Wien, der mächtigsten sozialdemokratischen Teilorganisation, einige Tage davor zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen worden ist, war die sozialdemokratische Beteiligung überschaubar: Einige Abgeordnete, eine Abordnung der Sozialistischen Jugend und eine kleinere Gruppe von sozialdemokratischen Gewerkschaftern nahmen an der Demonstration teil. Die Spitzen der Gewerkschaften beschränken sich auf die Rolle des kommentierenden Zuschauers, anstatt Akteur zu sein. Dabei wäre Widerstand bitter nötig: Die Angriffe auf die sozialen Rechte werden ebenso weitergehen, wie Angriffe auf die Inter­essenvertretung der Werktätigen. So soll der Beitrag zur Arbeiterkammer, der jedem Beschäftigten vom Lohn abgezogen wird, halbiert werden. Das würde harte Einschnitte für die gesetzliche Interessenvertretung bedeuten. Die Arbeiterkammer übernimmt u. a. eine kostenlose Vertretung für alle Beschäftigten, die von Firmen nicht korrekt bezahlt oder anderweitig geprellt werden und liefert wichtige Analysen und Studien zu allen gesellschaftlichen Belangen.

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"Solidarität statt Schwarz-Blau", UZ vom 19. Januar 2018



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